16 April 2024 - Am 4. Sonntag der Großen Fasten feierte Erzbischof Tichon die Liturgie in der Pfarrei der heiligen Ksenija in Rostock
Am 14. April 2024, dem 4. Sonntag der Großen Fasten, dem Gedenktag des ehrwürdigen Johannes Klimakos („von der Leiter“), zelebrierte Erzbischof Tichon von Rusa, der Vorsteher der Diözese von Berlin und Deutschland, die Göttliche Liturgie in der Pfarrei der heiligen seligen Ksenija von St. Petersburg in Rostock.
Am Vortag hatte der Erzhirte in der Allnächtlichen Vigil gebetet.
Seiner Eminenz konzelebrierten der Pfarrer der Gemeinde, Priester Feodor Freiberger, Archidiakon Archil Chkhikvadze und Diakon Peter Bravermann.
Nach dem Kommunionvers der Liturgie wandte sich Erzbischof Tichon mit einem Wort der Ermahnung über den ehrwürdigen Johannes von der Leiter, den Lehrer des Gebets, an die Gemeinde:
„Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Den vierten Sonntag der Großen Fastenzeit, liebe Brüder und Schwestern, widmet die Kirche dem Andenken des ehrwürdigen Johannes von der Leiter, eines Asketen des sechsten Jahrhunderts. Als junger Mann zog er sich in ein Kloster zurück und begann sein monastisches Werk, indem er sich gänzlich dem Gehorsam gegenüber den Brüdern und seinem geistlichen Mentor anvertraute, unter dessen Anleitung er neunzehn Jahre lang lebte. Am Ende seines Wirkens erlangte er die geistliche Vollkommenheit und wurde zum Abt des Klosters gewählt. Der ehrwürdige Johannes schrieb ein Buch mit dem Titel „Die Leiter“, in dem er den Weg des Aufstiegs des Menschen zu Gott über die Stufen der christlichen Tugenden beschrieb. Geistliches Wachstum wird nach den Worten des Ehrwürdigen durch spirituelle Taten erreicht. Wenn der Herr dem Menschen auf dem Weg zum Königtum Gottes Gnade schenkt, so erfordert dies von Seiten des Menschen Selbstverleugnung und Arbeit. „Die Leiter“ ist für die geistliche Anleitung aller Christen, sowohl der Mönche als auch der Laien, zusammengestellt, denn das Ziel ist für alle ein und dasselbe – das Heil und die Vollkommenheit zu erreichen.
In der heutigen sonntäglichen Evangelienlesung wird davon gesprochen, wie ein Mann einen Sohn hatte, der besessen war und dem niemand zu helfen vermochte. Nachdem er alle Mittel zur Heilung versucht hatte, brachte der Vater sein Kind zu den Jüngern Jesu Christi. Aber auch sie konnten nichts tun. Da wandte sich der Vater an den Herrn und schrie nach Hilfe. Der menschenliebende Herr heilte das Kind, indem Er den Dämon austrieb. Auf die Frage der Jünger, „warum sie den Jungen nicht heilen konnten“, antwortete der Herr, dass „das dämonische Geschlecht nicht anders ausgetrieben werden kann als durch Gebet und Fasten “ (Mk 9,29). Die Evangelienlesung lenkt so unsere Aufmerksamkeit auf das Fasten und die Kraft des Gebets. Hören wir, was der ehrwürdige Johannes von der Leiter über das Gebet sagt, das er „die Mutter aller Tugenden“ nennt.
„Das Gebet“, so lehrt der heilige Johannes, „ist die Gemeinschaft und Vereinigung des Menschen mit Gott, ist Reinigung von den Sünden, Quell der Tugenden, Nahrung der Seele, Erleuchtung des Denkens, Festigung der Hoffnung, Vernichtung des Kummers, der monastische Reichtum. Das Gebet ist für den wirklichen Beter das Gericht und die Qual des Herrn vor dem Schrecklichen Gericht.“ „Philosophiere nicht im Gebet mit deinen Worten. Bemühe dich nicht, wortreich zu sein, auf dass du deine Gedanken nicht zerstreust. Ein einziges Wort des Zöllners hat Gott besänftigt, und ein einziger mit Glaube gesprochener Satz den Räuber gerettet. Auch wenn du die Leiter der Tugenden emporgestiegen bist, so bete doch immer um den Erlass deiner Versündigungen und höre den Apostel Paulus, der von den Sündern sagte: „Ich aber bin der Erste unter ihnen“ (1 Tim 1,15).
Das Gebet hat Stufen. „Der Anfang des Gebetes“, sagt der Ehrwürdige, „besteht darin, die uns ablenkenden Gedanken, die uns in den Sinn kommen, abzustreifen“, das heißt, sich nicht mit den Gedanken zu verbinden, die da während des Gebetes kommen, sondern sie sofort abzuschneiden. „Das Zentrum ist, wenn unsere Gedanken sich in das vertiefen, was wir lesen und worüber wir nachdenken. Die Vollkommenheit besteht in der Entrückung unserer Seele zu Gott“. Denjenigen, die noch nicht die Fähigkeit zu beten erworben haben, rät der Ehrwürdige: „Versuche immer, dein Denken zur Trauer zu erheben, vertiefe dich in das Verständnis der Worte des Gebetes“.
Die Seele des Gebets ist die Aufmerksamkeit. Wo auch immer wir es verrichten – zu Hause, auf der Straße oder im Tempel – müssen wir den Worten des Gebets Aufmerksamkeit schenken. Wenn der Geist von den Worten des Gebetes, von den Worten der Hymnen und der Lesung abgelenkt wird, muss er zurückkehren, indem er sich dazu drängt, sich wieder auf das Gebet einzulassen und von ihm die göttliche Gabe zu empfangen. Auf väterliche Weise beruhigt der heilige Johannes diejenigen, die denken, dass ihr Gebet fruchtlos sei, und sich deshalb schämen. „Wenn ihr lange betet und das Erbetene nicht erhaltet, sagt nicht, dass ihr durch euer Gebet nichts gewonnen habt; denn ihr habt auch so schon so viel erhalten“. Auf die Frage: „Ist es möglich, für andere zu beten, ohne die Gabe des Gebets zu besitzen?“ antwortet der Asket: „Wenn man dich bittet, für das Heil eines anderen zu beten, weigere dich nicht, auch wenn du die Gabe des Gebets noch nicht erhalten hast. Denn oft rettet der Glaube denjenigen, der bittet und in Zerknischtheit des Herzens betet. Wenn du für andere betest und von Gott erhört wirst, dann überhebe dich nicht, denn ihr Glaube hat dich dabei unterstützt und geholfen“. Der Ehrwürdige gebietet, nicht nur mit dem Mund, sondern auch mit dem Herzen zu beten, nicht nur im Tempel oder vor einer Ikone, sondern überall und zu jeder Zeit. „Sei bei allen Gelegenheiten mutig, und Gott selbst wird dein Lehrer im Gebet sein. Das Gebet an sich hat einen Lehrer – Gott, der den Menschen Vernunft lehrt, der dem Betenden das Gebet schenkt.“
Dies sind nur einige Unterweisungen, Brüder und Schwestern, die ich euch eurer Aufmerksamkeit anempfehlen wollte, um einem heiligen Lehrer zuzuhören, da aus der Gemeinschaft mit ihm jedem von uns Heiligkeit vermittelt und die Erfahrung des verständigen Gebets zuteil wird. Lesen wir seine Unterweisungen, beachten wir seine Worte und denken wir daran, dass wir nicht an Gott glauben können, doch nicht zu Ihm beten. Lasst uns das Gebet lieben, Brüder und Schwestern. Strengen wir uns an, so oft wie möglich zu Gott zu beten. „Derjenige, der sich ständig auf den Stab des Gebets stützt“, bezeugt der heilige Johannes, „ der wird nicht straucheln. Das Gebet ist eine starke und mächtige Waffe gegen die unsichtbaren Feinde. Das Gebet bestimmt die Stufe der Spiritualität eines Menschen, seine Nähe zu Gott und seine Liebe zu Ihm. Möge Gott uns allen schenken, dass wir in unseren Gebete erhört werden, und dass wir durch es das Erbetene erhalten – das Heil und das ewige Leben. Amen.“