31 Mai 2017 - Der Ökumenische Patriarch in Deutschland
Anders als bei seinen beiden ersten offiziellen Besuchen in Deutschland 1993 und 2014, die vordringlich einen pastoralen Charakter trugen, war Hauptziel des diesjährigen fünftägigen Deutschlandbesuches des Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios mit den Hauptstationen Stuttgart, Tübingen und Berlin die ökumenische Begegnung. Zwar kam er auch nach Reutlingen, wo er den griechischen Kirchneubau besuchten und eine Wasserweihe mit der dortigen Gemeinde feierte, und traf auch hochrangige politische Gesprächspartner wie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der den ersten Bischof der Orthodoxie zu einem gut einstündigen Gespräch im Berliner Schloss Bellevue empfing, und den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann in Stuttgart unmittelbar nach seiner Ankunft, aber im Mittelpunkt dieses Besuchs stand nicht die Politik, sondern die Ökumene.
Eingeladen hatten den Patriarchen nämlich die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und die württembergische evangelische Landeskirche aus Anlass des laufenden Reformationsgedenkjahrs. Das Verhältnis der Orthodoxie zu Martin Luther und der von diesem ausgelösten Bewegung bildete denn auch den Schwerpunkt in den verschiedenen Ansprachen des Patriarchen in Stuttgart und Tübingen. Ein Höhepunkt war dabei die Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität Tübingen an Patriarch Bartholomaios.
Die dortige Evangelisch-Theologische Fakultät hob damit sein Engagement für den Dialog der Religionen sowie für Umweltschutz, Frieden und Freiheit hervor. Dekan Michael Tilly charakterisierte entsprechend den Patriarchen einen „ökumenischen Brückenbauer“.
Der Patriarch, der unter anderem in München Theologie studiert hatte, ging in seiner auf Deutsch gehaltenen Ansprache auf die Geschichte des Dialogs zwischen Protestanten und Orthodoxen ein (vgl. den vollen Wortlaut S. 39-43). Er würdigte dabei vor allem die Bedeutung von Martin Luthers Freiheitsbegriff für den Dialog des Christentums mit der modernen Welt und betonte die Notwendigkeit weiterer Gespräche der christlichen Kirchen „mit theologischem Ernst und theologischer Fantasie“. Theologischer Fundamentalismus sei dagegen ein „Ausdruck krankhafter Religiosität“.
In Tübingen fand im Anschluss an den Patriarchenbesuch eine wissenschaftlichen Tagung statt, bei der es ebenfalls um Freiheit aus christlicher Sicht ging. Die Veranstaltung erinnerte unter dem Arbeitstitel „Tübingen zwei“ an die ersten Kontakte zwischen den Kirchen der Reformation und der orthodoxen Kirche, die die Tübinger Theologen Martin Crusius und Jakob Andreae 1573 durch ihren Briefwechsel mit dem damaligen Ökumenischen Patriarchen Jeremias II. aufgenommen hatten. Zuvor hatte Patriarch Bartholomaios bereits bei einer orthodoxen Veasper in der Stuttgarter evangelischen Stiftskirche das Gedenken an die Reformation gewürdigt. Er äußerte die Hoffnung, dass aus der Erinnerung viele geistliche Früchte erwüchsen. Zugleich dankte er den beiden großen Kirchen für Freundschaft, Hilfe und Solidarität gegenüber den in der Bundesrepublik lebenden orthodoxen Christen.
Der EKD-Ratsvorsitzende, Heinrich Bedford- Strohm, dankte seinerseits dem Ökumenischen Patriarchen ebenso wie der württembergische Landesbischof Frank Otfried July für die Bereitschaft zum offenen Dialog. Beim anschließenden Empfang im Stuttgarter Alten Schloss sprachen auch die u.a. für die Kontakte der EKD zuständige Bischöfin Petra Bosse-Huber (Hannover) sowie der in der römisch-katholischen Deutschen Bischofskonferenz für Ökumene zuständige Magdeburger Bischof Gerhard Feige. Er unterstrich, dass die Menschen in jüngster Zeit erfahren müssten, dass dort, wo Dialog verweigert werde und Ausgrenzung herrsche, das Zusammenleben in Freiheit und Frieden bedroht sei. Die Christen hätten die gemeinsame Verantwortung, „gegen alle Fundamentalismen und Nationalismen für einen offenen Dialog zu werben und uns aktiv in diesen Dialog einzubringen“.
Auch in der Tübinger Stiftskirche feierte der Patriarch einen kurzen orthodoxen Gottesdienst, nämlich eine Doxologie. Beide Gottesdienste wurden überwiegfewnd in deutscher Sprache gefeiert und zeigten durch die Mitwirkung des serbischen Diakons Milutin Marić und die Anwesenheit von zahlreichen Geistlichen vor allem der russischen wie der rumänischen und serbischen Diözesen mit Erzbischof Mark (Arndt), Metropolit Serafim (Joantă) und Abt Maxim (Schmidt) an der Spitze die heutige Multinationalität der Orthodoxie in Deutschland, die auch der Vorsitzende der Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland, Metropolit Augoustinos (Labardakis), mehrfach hervorhob.
Der Patriarch reiste dann weiter nach Berlin, wo er auf Einladung der Konrad-Adenauer-Stiftung zum Thema „Orthodoxie und Menschenrechte“ sprach. Dabei verteidigte er das Konzept der Menschenrechte sowohl gegen Vorbehalte aus nichtchristlichen Religionen als auch gegen Kritik aus fundamentalistischen Kreisen innerhalb der Orthodoxsie. Menschenrechte seien „kein Menschenwerk“, sondern ein „Geschenk Gottes“, betonte der Ökumenische Patriarch. Ein Grundbegriff der orthodoxen Lehre vom Menschen sei der der Person; von dort aus ergäben sich Anknüpfungspunkte für die aus der Aufklärung stammenden Begriffe Freiheit und Autonomie. Auch wenn es von kirchlicher Seite zunächst „Animositäten“ gegen die Menschenrechtserklärungen gegeben habe, wurzelten sie doch tief in der christlichen Kultur, die auch in die humanistischen Bewegungen ausgestrahlt habe. Zugleich betonte der Patriarch, unabhängig von ihrer Entstehung sei es wichtig, dass die Menschenrechte von verschiedenen Kulturen und Völkern in den lebendigen Zusammenhang ihrer eigenen Tradition integriert würden.
Der römisch-katholische Erzbischof von Berlin, Heiner Koch, würdigte in seinem Grußwort „das wahrhaft globale Engagement“ des Patriarchen im ökumenischen und interreligiösen Dialog. Auch der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Markus Dröge, hob die ökumenische Verbundenheit mit den orthodoxen Christen hervor. Die Kirche habe entweder ökumenischen Charakter, oder sie werde ihrem Auftrag nicht gerecht. Der Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung, Hans-Gert Pöttering, würdigte Patriarch Bartholomaios als „leuchtendes Vorbild für Versöhnung und Frieden“.