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06 Dezember 2021 - Die Einführung der Allheiligen Gottesgebärerin in den Tempel war wie eine stillschweigende Predigt für das Volk über das nahe Kommen des Erlösers

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04. Dezember 2021 – Am Fest der Einführung der Allheiligen Gottesgebärerin in den Tempel predigte Erzbischof Tichon während der Göttlichen Liturgie in der Kathedrale der Auferstehung in Berlin

Zum Fest der Einführung der Allheiligen Gottesgebärerin in den Tempel gratuliere ich Ihnen allen, Brüder und Schwestern. Die Überlieferung, die sich im Schoß der Kirche erhalten hat, berichtet, dass die Allheilige Jungfrau Maria im Alter von drei Jahren in Erfüllung des Gelübdes, das ihre Eltern abgelegt hatten, in den Jerusalemer Tempel gebracht wurde. Als die Heilige Jungfrau sich dem Tempel näherte, kam der Hohepriester Zacharias zu ihrer Begrüßung ihr entgegen. Mit dem geistlichen Auge, das in der jungen Jungfrau die besondere Gnade Gottes sah, führte Zacharias sie in das Allerheiligste des Tempels, wohin allein der Hohepriester das Recht hatte, nur einmal im Jahr mit dem Opferblut einzutreten.

Das Ereignis war so ungewöhnlich, dass sogar „die Engel“, so heißt es im Kirchenlied, „als sie den Eingang der Reinen sahen, staunten, wie die Jungfrau in das Allerheiligste eintrat“, und in diesem Ereignis ein großes Geheimnis sahen. Wenn in der Geburt der Allheiligen Jungfrau das Fleisch derjenigen vorbereitet wurde, aus deren reinem Blut der Sohn Gottes geboren werden sollte, dann beginnt mit dem Tag ihres Eintritts in den Tempel die Erziehung ihrer Seele für jenen großen Tag, an dem sie dem Erzengel Gabriel sagen würde: „Mir geschehe nach deinem Wort“ (Lk 1,38). Die Einführung der Allheiligen Gottesgebärerin in den Tempel war wie eine stillschweigende Predigt für das Volk über das nahe Kommen des Erlösers. Deshalb gilt dieses Fest als Vorläufer des Festes der Geburt Christi, als würde es die Tür zu diesem Fest öffnen: „Christus wird geboren, ehrt Ihn“, hören wir, „Christus von den Himmeln, empfangt Ihn“.

Die Heilige Jungfrau, die in den Jerusalemer Tempel eingeführt wurde, Brüder und Schwestern, wurde dort im Tempel erzogen und wuchs geistlich heran. Jeder von uns muss sich für den Herrn erziehen. Die Notwendigkeit, für den Himmel, für den Herrn erzogen zu werden, ergibt sich offensichtlich aus der Tatsache, dass der Mensch für das ewige Leben geschaffen ist. Irdische Angelegenheiten sind nur auf Erden notwendig, und wie alles Irdische werden sie zu einem Ende kommen. Damit sich aber die Seele nicht völlig in weltlichen Sorgen, Aktivitäten und Geschäften verliert und nicht das ewige Leben darüber vergisst, muss sie auf den Himmel gelenkt werden. „Damit der Himmel uns annimmt“, sagt der heilige Joann von Kronstadt, „ist es für jeden unerlässlich, dass er hier, auf der Erde, etwas in seine Seele legt, das für den Himmel bestimmt ist, sonst gibt es dort keinen Platz für uns. Im Himmel kann es nur geben, das dem Himmel eigen ist“.

Was ist für die geistliche Bildung notwendig? Wir müssen unseren Geist schulen, uns öfter Gott zuzuwenden, der Ewigkeit, die uns erwartet. Unbeschadet dessen, dass wir in den Sorgen des Alltags leben, ist es notwendig, dass wir nicht in unserem Herzen an dieser Eitelkeit festhalten, von ihr anhängig werden. Dazu sollten wir öfter den Tempel Gottes besuchen, die Heilige Schrift lesen, uns mit Menschen unterhalten, die im geistlichen Leben erfahren sind. Das Leben eines Christen ist ohne den Tempel, ohne das gemeinsame Gebet und die Mysterien nicht denkbar. Der Tempel ist wie eine erste Stufe von der Erde zum Himmel, und unser Heil hängt in vielem davon ab, wie tief der Tempel in unsere Seele eingegangen ist, wie tief wir die Essenz des kirchlichen Gebets in unserem Leben aufnehmen. Die Seele ist ewig und um sie muss man sich unbedingt sorgen.

Mühen wir uns, Brüder und Schwestern, die Liebe zur Tugend und zu einem heiligen Leben zu pflegen. Die Möglichkeit, ein gutes Werk zu tun, wird Jedem gegeben, egal wer er ist. Jede Berufung kommt von Gott, und die gewissenhafte Erfüllung der eigenen Verpflichtungen ist schon eine gute Tat, wobei wir – wenn wir uns genau umsehen – die Möglichkeit finden, auch andere gute Taten zu tun. Wenn wir mit unseren geistigen Augen den Aufstieg der Heiligen Jungfrau auf den Stufen des Jerusalemer Tempels in Jerusalem betrachten, werden auch wir uns selbst für die seliggepriesene Ewigkeit, für den Himmel, für den Herrn erziehen, wobei uns die Allheilige Jungfrau, die Gottesgebärerin, mit ihrem Gebeten helfen möge. Amen.