15 April 2017 - Die Osterbotschaft des Patriarchen von Moskau und ganz Russland KIRILL an die Oberhirten, Hirten, Mönche, Nonnen und alle gläubige Kinder der Russischen-Orthodoxen Kirche
«Die Gnade Gottes ist erschienen, um alle Menschen zu retten» (Tit. 2, 11)
Geliebte im HERRN hochgeweihte Oberhirten, allverehrte Presbyter und Diakone, gottliebende Mönche und Nonnen, liebe Brüder und Schwestern!
In der vom göttlichen Licht durchhellten Nacht, die mit großer Feier und geistiger Freude vom Weltherrscher erfüllt ist, der den Tod besiegt hat, richtee ich an euch alle den uralten Ausruf, der standhaft unsere unwandelbare Zuversicht bezeugt:
CHRISTUS IST AUFERSTANDEN!
Viele Generationen heiliger Männer und Frauen haben gewünscht, zumindest in kleinem Maß Jenes zu begreifen, was fast vor zweitausend Jahren im lichthellen Grab des HERRN geschehen ist. Sie strebten an, soweit es der beschränkten menschlichen Vernunft möglich ist, uns das Wissen dieses wunderschönen Geheimnisses fassbar zu machen, das in der Grabhöhle nahe der alten Mauern Jerusalems zustande gekommen ist. Sie suchten nach Bildern, die uns zum Verstehen der wahrhaftig kardinalen Veränderung annähern, die Gott in dieser Nacht dem ganzen Weltall getan hat.
Der hl. Johannes Chrysostomos schreibt über dieses Ereignis: „Der Auferstehungstag unseres HERRN Jesu Christi ist die Grundlage der Welt, der Anfang der Versöhnung, das Aufhören feindlicher Handlungen, die Zerstörung des Todes, die Niederlage des Teufels“ (Das Osterwort).
Angesichts des Gesagten werden für uns die Worte vom Apostelfürsten Paulus mit einem Sondersinn erfüllt, der die Auferstehung des Erlösers aus dem Grab der neuen Weltschöpfung und der Erschaffung der neuen Menschheit angleicht: «Wenn also jemand in Christus ist, dann ist er eine neue Schöpfung: Das Alte ist vergangen, Neues ist geworden» (2 Kor. 5, 17), – so lesen wir im Korintherbrief des Apostels.
Die Auferstehung Christi ist der Hauptinhalt der christlichen Botschaft an die Welt. Nur dank dem Opfer von Golgatha, das mit der herrlichen Auferstehung unauflöslich vereint ist, erwerben alle menschliche Bestrebungen, die auf die Quelle aller Güter gerichtet sind, Sinn und Wert. Das Opfer Christi ist zur Antwort geworden auf die von den Menschen verschiedener Kulturen und Traditionen unternommenen Versuche, den Lebendigen Gott zu finden, denn, dem Wort der Heiligen Schrift nach, ist der HERR «nicht auf die Person sieht, sondern dass ihm in jedem Volk willkommen ist, wer ihn fürchtet und tut, was recht ist» (Apg. 10, 34-35), und «er will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen» (1. Tim. 2, 4). Diese gespannten Anstrengungen verkörperen in sich Erwartungen und Hoffnungen von Millionen Menschen, die zu verschiedenen Zeiten vergeblich nach der Möglichkeit suchten, den eigenen jammervollen Zustand zu überwinden und das wahre „Leben und es in Fülle“ (Joh. 10, 10) zu erwerben.
Das Vorgezeichnete von alters her ist zustande gekommen. Von nun an hat der Tod keine solche Macht über den Menschen und jetzt «wie in Adam alle sterben, so werden in Christus alle lebendig gemacht werden» (1 Kor. 15, 22). Ostern ist deshalb das wichtigste christliche Fest, so dass der erniedrigte und gepeinigte Jesus aus Nazareth, von göttlicher Herrlichkeit umstrahlt, „am dritten Tage auferstanden ist von den Toten und bahnte jedem Fleisch den Weg zur Auferstehung von den Toten… damit Er vorangehe in allen Dingen“ (Anaphora der Liturgie des hl. Basilius des Großen).
Heute ruft Christus uns alle zum Festmahl des Glaubens und des Reiches auf, er ruft uns auf, die Früchte seines Sühnopfers zu kosten, „das Wasser zu trinken, das ewiges Leben schenkt“ (Joh. 4, 14). Dennoch darf unsere Einheit mit dem HERRN nicht nur auf die Teilnahme am Gottesdienst oder auf die persönliche Gebetseifrigkeit reduziert werden; diese soll in vollem Maße alle Seiten unseres Lebens umschließen. Wir dürfen nicht in sorglosem Feiern verweilen, da wir wissen, dass es neben uns Menschen gibt, die die Freude über das Leben in Gott nicht gefunden haben, Leidende, Trauernde, Alleinstehende, Glücklose oder diejenigen, die von Krankheiten gequält werden. Unsere heilige Pflicht ist die Sorge darum, dass der Name Christi überall gepriesen wird, dass die Menschen, indem sie die guten Werke wahrnehmen, die zum Lob Gottes getan werden, des orthodoxen Glaubens teilhaftig werden, ihre Herzen auf den Vater im Himmel wenden.
Der böse menschliche Wille und die teuflische Versuchung gelten leider immer noch in der Welt. Für Kleinmut aber darf es keinen Platz in unserer Seele geben, denn wir wissen, dass trotz allen Unheils, [Katastrophen] Kataklysmen, Konflikten und Widersprüche der HERR die Welt besiegte (Joh. 16, 33), über die Sünde und den Tod triumphierte. Und deshalb haben wir die Möglichkeit, durch Wort und Tat die Gnade zu bezeugen, die uns durch Kommunion mit dem Heiland gegeben wird, da wir in seiner Kirche sind. Lasset uns in Erfüllung der Gebote des Evangeliums eifrig sein, damit die Nächsten und die Fernen, indem sie unserem Beispiel folgen, ebenfalls anstreben, der Feier des Glaubens und des Reichtums der Gnade teilhaftig zu werden, die von Gott auf alle seine gläubigen Kinder herabgesandt wird.
Noch einmal gratuliere ich euch allen zum größten Osterfest, zum Fest der Auferstehung «von Jesus Christus; er ist der treue Zeuge, der Erstgeborene der Toten, der Herrscher über die Könige der Erde. Er liebt uns und hat uns von unseren Sünden erlöst durch sein Blut; er hat uns zu Königen gemacht und zu Priestern vor Gott, seinem Vater. Ihm sei die Herrlichkeit und die Macht in alle Ewigkeit. Amen» (Ofb. 1, 5-6).
CHRISTUS IST WAHRHAFTIG AUFERSTANDEN!
KIRILL,
PATRIARCH VON MOSKAU UND GANZ RUS´
Moskau,
Pas‘cha Christi,
2017