07 Oktober 2021 - Es muss daran erinnert werden, dass jede Leidenschaft Quell des Todes ist und einen Menschen für immer töten kann, wenn er nicht bereut und sich nicht ändert, sie nicht aufgibt
3. Oktober 2021 – Am 15. Sonntag nach Pfingsten hielt Erzbischof Tichon in der Kirche des heiligen Neumartyrers Ilarion, Erzbischofs von Vereja, in Leer die Predigt zur Sonntagslesung über das Leben mit dem Kreuz und die Selbstverleugnung des Christen.
Heute empfiehlt die Heilige Kirche, Brüder und Schwestern, unserer Aufmerksamkeit zwei Evangelienlesungen. Die erste ist dem Sonntag gewidmet, die zweite – auf die wir besondere Aufmerksamkeit richten sollen – dem Nachfest der Erhöhung des Ehrwürdigen und Lebenspendenden Kreuzes des Herrn. Dieser Abschnitt des Evangeliums spricht von der Selbstverleugnung und vom Tragen des Kreuzes, die von allen verlangt werden, die Christus nachfolgen wollen.
„Wer Mir nachfolgen will“, sagt der Herr, „der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge Mir nach“ (Mk 8,34). Der Herr, Brüder und Schwestern, zwingt niemanden, Ihm zu folgen. Er überlässt es jedem, frei zu wählen, ob er Ihm nachfolgt oder nicht, für Ihn lebt, für die Wahrheit und Heiligkeit, für ein ewiges Sein mit Ihm, oder ob er für sich selbst lebt, dabei seinen Leidenschaften frönt, der „ehebrecherischen und sündigen“ Welt und dem Teufel dient, der sucht, wie er den Menschen vernichten und in die ewige Qual stürzen kann. Der Herr lässt unseren freien Willen unangetastet. Wenn wir in die Geschichte der Kirche schauen, auf die Beispiele der Heiligkeit, die sich im Leben der Kirche manifestieren, werden wir sehen, dass die Apostel, die Ehrwürdigen und alle Heiligen Christus nachgefolgt sind. Sie opferten um des Herrn willen alle Güter der Welt und sogar ihr eigenes Leben und wurden nicht in ihrer Hoffnung enttäuscht, das himmlische Königreich zu erben.
Es stellt sich die Frage: Was bedeutet es, sich selbst zu verleugnen? – Es bedeutet, unserem sündigen Willen, unseren bösen Neigungen, unseren Leidenschaften und jeglicher Sünde zu entsagen, dem, was uns bindet, verdunkelt, entehrt und uns daran hindert, Christus nachzufolgen. Warum folgt ein Großteil der Menschen dem Herrn nicht nach? – Aufgrund von Unglauben oder Kleingläubigkeit, wegen der Bindung an dieses Leben und an seine Annehmlichkeiten, aber auch wegen geistlicher Unwissenheit. Der Weg, der ins himmlische Königtum führt, ist für sie nicht attraktiv, weil es ein schmaler Weg ist, der geistliche Anstrengungen, Kampf und Selbstaufopferung erfordert. Der Weg aber, der breit und, wie es ihnen scheint, frei ist, fordert von ihnen keine Anstrengungen und bietet nur Vergnügungen und Annehmlichkeiten im Leben. Ihr Motto lautet: „Nimm dir alles vom Leben“. Das Ergebnis einer solchen „Freiheit“ aber sind großes Elend und Unglück. Und was das Traurigste und Erschreckendste ist: Viele werden enttäuscht und beenden ihr Leben durch Selbstmord.
Der menschenliebende Herr, Brüder und Schwestern, verkündet durch den Mund des Propheten sowohl damals, viele Jahrhunderte vor dem Erscheinen des Heilands in der Welt, wie auch heute, dass „Er nicht den Tod des Sünders will, sondern dass der Sünder sich von seinem Weg abwendet und am Leben bleibt“ (Hes 33,11). Gott „will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen“ (1 Tim 2,4). Dazu müssen wir selbstlos unser Kreuz auf uns nehmen und Ihm nachfolgen, indem wir gegen die Sünde und die Leidenschaften kämpfen, die uns bedrängen. Wer sich weigert zu kämpfen, wer seine Seele in diesem Kampf schont, verurteilt die Seele zum ewigen Verderben (Mk 8,35). Es muss daran erinnert werden, dass jede Leidenschaft Quell des Todes ist und einen Menschen für immer töten kann, wenn er nicht bereut und sich nicht ändert, sie nicht aufgibt. Deshalb gebietet uns der Herr, uns selbst zu verleugnen und Ihm zu folgen, indem wir das Kreuz auf uns nehmen. In dieser Selbstverleugnung liegt unsere Rettung. Möge der Herr allen aufopferungsvollen Trägern des Kreuzes das himmlische Königtum schenken. Amen.