• ru flag
  • de flag

05 Mai 2025 - In Dachau fanden feierliche Trauerveranstaltungen zum 80. Jahrestag der Befreiung der Häftlinge des Konzentrationslagers statt

Berliner Diözese der Russischen Orthodoxen Kirche (KdöR) > Aktuell > In Dachau fanden feierliche Trauerveranstaltungen zum 80. Jahrestag der Befreiung der Häftlinge des Konzentrationslagers statt

Am 4. Mai 2025, dem 3. Sonntag nach Pascha und Gedächtnistag der heiligen Myrrhe tragende Frauen, wurde in der Kapelle der Auferstehung Christi im ehemaligen Konzentrationslager Dachau die Göttliche Liturgie gefeiert. Am Ende des Gottesdienstes fanden feierliche Trauerveranstaltungen zum 80. Jahrestag der Befreiung der KZ-Häftlinge statt. Der Tag des Gedenkens an die Dachauer Häftlinge wird traditionell am ersten Sonntag nach dem 29. April begangen.

Der Göttlichen Liturgie stand Erzbischof Tichon von Ruza vor, der Leiter der Diözese von Berlin und Deutschland. Seiner Eminenz konzelebrierten Erzpriester Nikolaj Zabelič, der Pfarrer der Auferstehungsgemeinde in München, Priester Evgenij Murzin und Priester Ilja Romik (Serbische Orthodoxe Kirche).

Die Liturgie wurde gesungen vom gemischten Chor der Auferstehungsgemeinde unter der Leitung von Lektor Matfej Kobro. Der Gottesdienst wurde in Kirchenslawisch, Serbisch, Deutsch, Griechisch und Georgisch gehalten. Gläubige der lokalen orthodoxen Kirchen, die aus verschiedenen Städten Deutschlands angereist waren, beteten in der Kapellenkirche.

In der Ektenie für die Verstorbenen wurde eigens für „die Führer und Soldaten, die ihr Leben für den Glauben und das Vaterland gelassen haben, für alle orthodoxen Christen, die hier und an anderen Orten gefoltert und getötet wurden“ gebetet.

Nach dem Kommunionvers wandte sich Erzbischof Tichon mit einem erzhirtliuchen Wort an die Teilnehmer des Gottesdienstes:

“Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.

Christus ist auferstanden!

Heute verherrlicht die Kirche, Brüder und Schwestern, die heiligen Myrrhe-tragenden Frauen. Brennend vor Liebe zum Herrn, folgten sie Ihm nach und beherzigten Seine rettende Lehre. Einige von ihnen dienten dem Herrn mit ihrem Besitz und versorgten Ihn und die Apostel mit allem Lebensnotwendigen. Als der Herr zum Kreuzestod verurteilt wurde, verließen sie Ihn nicht wie einige Jünger, die in Schrecken flohen, sondern unter Tränen folgten sie Ihm nach Golgatha. Die Sonne ging unter und die Erde bebte, als die heiligen Frauen, schwach im Leibe, aber stark im Geiste, zusammen mit der Mutter des Herrn und Seinem Lieblingsjünger am Kreuz standen. Nach dem Tod des Göttlichen Verstorbenen nahmen sie zusammen mit Josef und Nikodemus teil an der Beerdigung des Herrn, vermochten aber nicht mehr, Seinen Allreinen Leib mit Myrrhe zu salben.

Sobald aber der neue, der dritte Tag anbrach, eilten sie zum Grabe. Die Macht der Liebe zog sie zu dem Verstorbenen. Sie legten die Furcht ab, dass sie auf dem Weg von einer boswilligen Wache, die am Grab postiert war, angetroffen würden, und sie überwanden auch die Verzagtheit, dass sie durch den gewaltigen Stein am Eingang des Sarges an ihrem Werk gehindert würden. Die Stärke ihrer Liebe zum Herrn sah nicht die Hindernisse auf ihrem Weg; um Seinetwillen waren sie bereit, alles zu tun. Ihr Mut zusammen mit ihrem aufrichtigem Glauben, mit Liebe und Treue wurden vom Herrn Selbst belohnt: „Freut euch!“ (Mt 28,9),“ sagte der Engel, der ihnen von der Auferstehung Christi kündete. „Geht und sagt Seinen Jüngern und Petrus, dass Er euch nach Galiläa vorausgeht; dort werdet ihr Ihn sehen, wie Er es euch gesagt hat“ (Mk 16,7).

Welche Lektion lehrt uns die Kirche, Brüder und Schwestern, wenn sie die Myrrhe tragenden Frauen verherrlicht? Sie wünscht, dass alle Christen deren Liebe zu Christus, dem Erlöser, nachahmen. Jeder von uns muss als Jünger Christi das Gebot der Liebe zu Gott erfüllen. Jeden Morgen, wenn wir vom Schlaf aufstehen, sollen wir wie die „Myrrhetragenden Frauen, die sich früh am Morgen zum Grab des Lebenspenders begaben“, auch uns beeilen, unser Gebet an Gott zu richten, Ihm Anbetung und Lobpreis darzubringen. Wir sollten uns aber daran nicht nur am Beginn eines jeden Tages gewöhnen, sondern auch daran, alles, was wir in seinem Verlauf tun wollen, mit Gebet zu tun. Das Gebet ist die  Manifestation der Liebe zu Gott, dem Quell des Lebens.

Wie die Myrrhetragenden Frauen sollen wir jeden Sonntag zum Gebet in die Kirche eilen, damit wir mit den Augen des Glaubens die Auferstehung Christi sehen und Ihn anbeten als den lebendigen Gott . Jeden Sonntag erneuert die Kirche in unserem Gedächtnis das Gedenken an die Auferstehung, weil Christus, der Erretter, uns vom ewigen Tod befreit und uns das Leben geschenkt hat. Der Auferstehungstag ist für einen Christen heilig und freudig. Wenn es schon notwendig ist, an jedem Morgen zum Gebet aufzustehen, so ist es umso notwendiger, dies am Sonntag zu tun. Wie die Myrrhe-Trägerinnen wollen wir den Sonntagmorgen dazu nutzen, zum Gottesdienst in die Kirche zu gehen und unser Gebet und unseren Lobpreis des Auferstandenen Herrn mit dem Gebet der Kirche zu vereinen. Gott gewähre jedem von uns, durch die Gebete der heiligen Myrrhetragenden Frauen, die der Welt die Auferstehung Christi verkündet haben, zum ewigen Leben aufzusteigen.

Im Lichte des großartigen Festes des Heiligen Pascha, des Sieges Christi über den Tod, feiern wir heute den 80. Jahrestag der Befreiung der Häftlinge des Konzentrationslagers Dachau. Am 29. April 1945 betraten amerikanische Soldaten die Tore eines der schrecklichsten Lager des Todes. Was sie sahen, war unvorstellbar: abgemagerte Häftlinge, gequälte Körper, Folterinstrumente und entsetzliche Beweise für die Gräueltaten. Etwa 200.000 Menschen durchliefen das Vernichtungslager Dachau. Zehntausende wurden gefoltert und ermordet. Unter ihnen: Deutsche, Juden, Russen, Serben, Polen, Franzosen: Orthodoxe, Katholiken und Protestanten, Priester, Mönche und politische Gefangene.

Wenn wir der Befreiung von Dachau gedenken, erinnern wir uns auch an die Befreiung anderer Vernichtungslager. Im Frühjahr 1945 hat die sowjetische Armee Auschwitz, Sachsenhausen und Ravensbrück befreit und der ganzen Welt die Verbrechen des Nazismus vor Augen geführt. Große Dankbarkeit gegenüber unseren Soldaten, die unter Einsatz ihres Lebens die Völker Europas vor dem Faschismus gerettet haben. Indem wir uns verneigen, werden wir ihren unsterblichen Einsatz in Erinnerung behalten. Gott bewahre uns davor, dass sich so etwas jemals wiederholen könnte. Zum Gedenken an die gefallenen Soldaten und die gequälten Häftlinge wurde hier in Dachau am 29. April 1995 dieses Gotteshaus zu Ehren der Auferstehung Christi geweiht. Wo Schreie und Stöhnen zu hören waren, wo Tod und Hölle herrschten, dort wird heute gebetet. Ehre sei Gott, der uns durch Sein Kreuz und Seine Auferstehung das Heil und die Freude des Sieges über den Tod geschenkt hat. Der Auferstandene Herr ist und bleibt immer bei uns (Mt 28,20), wie Er auch immer bei denen war, die trotz allem für die Wahrheit einstanden und Ihm bis zum Tod die Treue hielten (Offb 2,10). Amen».

Dem Gottesdienst folgte eine Prozession um die Kirche.

Anschließend fand am ehemaligen Krematorium und auf dem ehemaligen Versammlungs- und Appellplatz eine Gedenkveranstaltung für die Häftlinge von Dachau statt. Es sprachen neben anderen Dr. Gabriela Hammermann, Direktorin der KZ-Gedenkstätte Dachau, Karl Freller, Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, Julia Klöckner, die Präsidentin des Deutschen Bundestages, Dominique Boueilh, Präsident des Internationalen Komitees Dachau, Bud Gachs, ein Veteran der US-Armee, der an der Befreiung von Dachau beteiligt war, Jean Lafaurie, ein Überlebender des Konzentrationslagers Dachau, und andere.

Am Ende der Zeremonie wurden Kränze und Blumen an der Gedenkstätte niedergelegt.

Das Konzentrationslager Dachau wurde am 22. März 1933 in der Nähe von München eröffnet. Ursprünglich war es für politische Gefangene gedacht, doch im Laufe der Zeit wurden auch Juden, Priester, Vertreter nationaler Minderheiten und andere vom NS-Regime als „unerwünscht“ eingestufte Gruppen dorthin geschickt. Insgesamt durchliefen mehr als 200.000 Menschen das Lager; nach verschiedenen Schätzungen wurden mindestens 40.000 von ihnen getötet.

Die Befreiung des Lagers fand am 29. April 1945 statt. Amerikanische Truppen der 42. und 45. Infanteriedivision drangen nach Dachau vor und fanden rund 30.000 erschöpfte und ausgehuingerte Häftlinge vor. Die Befreiung lieferte einen der ersten direkten Beweise für die Gräueltaten der Nazis, der die Weltgemeinschaft schockierte.

Die orthodoxe Auferstehungskapelle wurde 1995 auf dem Gelände der Gedenkstätte errichtet. Sie wurde auf Initiative der russischen orthodoxen Gemeinde zum Gedenken an die orthodoxen Christen – darunter auch sowjetische Kriegsgefangene – errichtet, die in dem Lager leiden mussten.