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18 Juni 2023 - Jeder von uns kann mit Gottes Hilfe Heiligkeit und geistige Vollkommenheit erlangen, wenn wir in unserem Verlangen und Streben fest bleibt

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Am 18. Juni 2023, dem zweiten Sonntag nach Pfingsten und Festtag Aller Heiligen im Russischen Lande, feierte Erzbischof Tichon von Rusa, der Leiter der Diözese von Berlin und Deutschland, die Göttliche Liturgie in der Kirche der Heiligen Tamar, Königin von Georgien, in Aachen.

Nach dem Kommunionvers wandte sich Erzbischof Tichon mit einem erzhirtlichen Wort an die Versammelten:

„Am ersten Sonntag der Petrus-Fastenzeit, Brüder und Schwestern, gedenkt die Kirche aller Heiligen, die im Russischen Lande erstrahlt sind. Es ist üblich zu sagen, dass heute die Heilige Rus’ ihren Engelstag, ihren Namenstag, begeht. Im Troparion des Festes wird gesungen: „Wie die schöne Frucht Deiner rettenden Aussaat bringt das Russische Land Dir, Herr, alle Heiligen dar, die in ihm erstrahlten“. In der Verherrlichung der Heiligen unserer Kirche wird gleichsam die Summe jener großen Aussaat des Wortes Gottes gesehen, deren Samen auf den fruchtbaren Boden der Herzen unseres Volkes fiel und dem Herrn hundertfache Frucht brachte. Heute ehren wir diejenigen, die uns durch ihre Mühen, ihre Geistesgröße und ihre Großtaten zu orthodoxen Christen gemacht haben. Wir verherrlichen unsere heiligen Landsleute, damit wir durch ihr Beispiel in den Werken der Frömmigkeit und des Heils gestärkt werden.

Der heilige apostelgleiche Fürst Vladimir, der von der heiligen gottweisen Olga erzogen und durch die Göttliche Gnade erleuchtet wurde, sah voraus, dass unser Volk, das damals in der Finsternis des heidnischen Polytheismus umherirrte, nur durch die Annahme des orthodoxen Glaubens geistlich wiederbelebt, erhoben und geeint werden konnte. Nachdem er selbst im Taufbecken aus dem Wasser und dem Heiligem Geist wiedergeboren worden war, befahl der Fürst dem ganzen Volk, ihm zu folgen und sich auf den Namen der Heiligen Dreiheit taufen zu lassen. Der Glaube an Christus reinigte das Volk von grobem Irrtum und Götzendienst und öffnete die Türen für die russische Frömmigkeit und ein geistliches Leben.

Die ehrwürdigen Antonij und Feodosij, die Gründer der Kiever Höhlen-Lavra, legten den Grundstein für das gesamte russische Mönchtum, das einen enormen Einfluss auf die kulturelle und historische Entwicklung des russischen Volkes erwies. Durch Beispiele eines tugendhaften Lebens veredelte das Mönchtum die Seelen der russischen Menschen. In den Klöstern wurden die russische Literatur und das Schulwesen geboren. Die Kiever Höhlen-Mönche waren die ersten russischen Schriftsteller und Lehrer, unter ihnen der ehrwürdige Nestor der Chronist.

Der heilige Bischof Petr, der Moskauer Metropolit, sah die große Zukunft Moskaus als Zentrum des russischen Staates voraus und verlegte den Thron des ersten Bischofs zuerst von Kiev nach Vladimir und dann nach Moskau und trug so zu dessen Erhöhung bei. Die Ersthirten Aleksij und Jona leisteten viel für die Einigung unserer Heimat in den schwierigen Jahren der Entbehrungen und fürstlichen Fehden. Der ehrwürdige Abba Sergij segnete den großen Fürsten Dmitrij vom Don zu militärischen Heldentaten, indem er zwei Mönche des Kloster entsandte, und mit seinen Gebeten das Volk ermutigte in seinem Kampf gegen den Feind. Zur Zeit der polnisch-litauischen Invasion ermutigte der heilige Patriarch Germogen das Volk mit seinem Aufruf zur Verteidigung des Heimatlandes und nahm dafür den Märtyrertod in Kauf.

Unermesslich ist, Brüder und Schwestern, der Chor der heiligen Gerechten Gottes. Das russische Land hat nie der Heiligen entbeert, die sich jedes Jahrhundert als Anhänger des Glaubens zeigten. Die ehrwürdigen Serafim von Sarov, Zosima und Savvatij von Solovki, der heilige Bischof Dimitrij von Rostov, der heilige Joann von Kronstadt, die selige Ksenia von Petersburg und eine Vielzahl anderer Asketen haben Gott ein jeder gemäß seiner Berufung und Positionen wohlgefallen: vom einfachen Mönch an bis hin zu den Großfürsten wie Boris und Gleb, Aleksandr von der Neva und Daniil von Moskau.

Die gewaltige Zahl der heiligen Gottwohlgefälligen aus so verschiedenen Ständen und Ecken unseres Heimatlandes besagt, Brüder und Schwestern, dass jeder von uns mit Gottes Hilfe Heiligkeit und geistige Vollkommenheit erlangen kann, wenn wir in unserem Verlangen und Streben fest bleibt. Und was hat diesen Menschen geholfen, Heilige zu werden? – Die Göttliche Gnade, die der Herr einem jedem schenkt. Sie half ihnen, ihre Leidenschaften zu besiegen, sich von ihren sündigen Neigungen zu befreien und heilig zu werden. Der Herr „will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen“ (2 Tim 2,4), wie uns das Wort Gottes versichert. Das bedeutet, dass einem jeden die Möglichkeit gegeben ist, heilig zu werden und die Vollkommenheit zu erlangen.

Der ehrwürdige Seraphim von Sarow wurde gefragt: „Wie wird man ein Heiliger?“ Er antwortete einfach: „Man braucht Entschlossenheit“. Und der ehrwürdige Abba Sergij lehrte: „Gebt auf euch acht, Brüder: Habt vor allem Gottesfurcht, Reinheit des Geistes und des Körpers und ungeheuchelte Liebe“. Denn die Heiligkeit und der Beginn der Vollkommenheit bestehen in der Gottesfurcht, die der Anfang der Weisheit ist (vgl. Spr 1,7), in der Reinheit, der Liebe und der Entschlossenheit. Wir sollten uns daran erinnern, dass die Heiligen Menschen wie wir waren und die Vollkommenheit nicht auf einmal erreicht haben. Von Glauben und Liebe zu Gott beseelt, bemühten sie sich, ihre Pflicht zu erfüllen, und stiegen allmählich, Schritt für Schritt, empor auf der Leiter der Tugenden. Deshalb kann und muss jeder von uns die Heiligkeit nach dem Maß seiner Begabungen, Fähigkeiten und Berufungen erreichen.

Setzen wir, Brüder und Schwestern, alle Anstrengungen dazu ein, all das Sündige zu überwinden, das uns von Gott und Seiner Gnade trennt. Mühen wir uns mit der christlichen Liebe zu Gott und unseren Nächsten, die allen Heiligen eigen ist, ehrlich und gewissenhaft das zu tun, zu dem ein jeder von uns berufen ist. Der Herr verlangt von uns nichts Unmögliches. Wenn Er uns zur Heiligkeit, zur Vollkommenheit beruft, so weiß Er, dass wir dazu in der Lage sind, und wenn wir es nur wünschen, ist Er immer bereit, uns zu helfen. Wir haben dieselben Gnadenmittel, die die Heiligen Gottes hatten. Lasst uns immer daran denken, dass Gott und Seine Heiligen mit uns sind, unsere Fürsprecher, die dafür beten, dass wir dort sein können, wo sie weilen, im Königtum Gottes. ‚Alle Heiligen unseres Landes, betet zu Gott für uns’. Amen.“