16 September 2019 - Konferenz zu den Heiligen Deutschlands in der Orthodoxen Kirche
Berlin – Am 12. September 2019 fand im Russischen Haus für Wissenschaft und Kultur in Berlin eine internationale wissenschaftlich-praktische Konferenz zum Thema „Die Heiligen Deutschlands des ersten Jahrtausends“ statt. Organisiert wurde das Forum von der Diözese von Berlin und Deutschland des Moskauer Patriarchats mit Unterstützung des Kulturministeriums der Russischen Föderation. Die Veranstaltung fand im Rahmen des Programms „Tage der spirituellen Kultur Russlands in Deutschland“ statt. An ihr nahmen Vertreter des Klerus der Diözese des Moskauer Patriarchats wie der deutschen Diözese der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland, Theologen, Historiker, Kunsthistoriker aus Deutschland und Russland sowie Vertreter der Öffentlichkeit teil.
In seiner Begrüßungsansprache wies der Leiter der Berliner Diözese, Erzbischof Tichon (Zajcev) von Podol’sk, darauf hin, dass schon seinem Vorgänger, Erzbischof Feofan (Galinskij), „einem Mann, der die europäische und insbesondere die deutsche Kultur und ihr kirchliches Erbe sehr liebte“, diese Frage am Herzen gelegen hätte und dass seit September 2014 mit dem Segen des Patriarchen von Moskau und der ganzen Rus’ Kirill in der Russischen Orthodoxen Kirche eine eigene Kommission daran arbeite, eine Liste der alten Heiligen im Westen zu erstellen: „Bei der Prüfung der Frage, ob die in Europa vor 1054 lebenden Heiligen in den Heiligenkalender aufgenommen werden soll, orientiert sich die Kommission an folgenden wichtigen Kriterien: tadellose Einhaltung des orthodoxen Glaubens, die Umstände, unter denen die Kanonisierung stattfand, fehlende Erwähnung des Namens des Heiligen in den polemischen Werken über den Kampf gegen die Ostkirche und den östlichen Ritus, die moderne Verehrung in den ausländischen Diözesen der russischen und anderer lokaler orthodoxer Kirchen“. Der Heilige Synod der Russischen Orthodoxen Kirche habe in den Jahren 2017 und 2018 bereits 24 neue Namen von Heiligen aus dem alten Frankreich, Großbritannien, Irland, Spanien und Portugal in das Martyrologium aufgenommen. Zugleich stellte der Erzbischof aber auch fest: „Offensichtlich ist noch eine lange und mühsame Arbeit zu leisten, um die Verehrung der Heiligen im alten Europa anzuordnen“. Es ist sei jedoch an der Zeit, in diese Richtung und für die Kinder der russischen Kirche in Deutschland zu arbeiten, um der orthodoxen Gemeinschaft von den alten deutschen Heiligen zu erzählen und mit anderen Mitgliedern der Kirche den geistlichen Schatz der Früchte ihres Lebens und ihrer Taten zu teilen und zu einer einheitlichen Stellungnahme bezüglich der Möglichkeit zu kommen, vor dem Patriarchen für die Aufnahme in das russische Heiligenverzeichnis von Namen der Heiligen einzutreten, „die sich auf eine Zeit beziehen, die noch nicht durch lehrmäßige Meinungsverschiedenheiten der christlichen Kirche getrennt war“.
Der Erzbischof von Berlin und Deutschland der russischen Auslandskirche Mark (Arndt), der ebenfalls an der Konferenz teilnahm, betonte, dass diese für die Seelsorge in Deutschland von großer Bedeutung sei, und äußerte die Hoffnung, dass die Ergebnisse des Forums zur Verbreitung des Respekts vor den alten deutschen Heiligen in der lokalen orthodoxen Umgebung beitragen werden, wies aber gleichzeitig auf die Schwierigkeit hin, unter den Vertretern der formal ungeteilten Kirche wegen der schon damals bestehenden lehrmäßigen Unterschiede jene Personen zu identifizieren, die die orthodoxen Kriterien der Verherrlichung im Rang eines Heiligen erfüllen.
Priestermönch Venedikt (Schneider), der Pfarrer der Pfarrei St. Michael der Erzengel in Göttingen, der schon 2004 ein solches Verzeichnis der deutschen Heiligen des ersten Jahrtausends erstellt hatte, berichtete über die bestehende Praxis der Verehrung westlicher Heiliger in der Orthodoxen Kirche. Das von Erzbischof Mark angesprochene Thema wurde im Bericht des Professors der Moskauer Theologischen Akademie, Igumen Dionisij (Šlenov) mit dem Titel „Die Verurteilung des Filioque im IX. Jahrhundert: zur Frage der zeitlichen Begrenzung der Verehrung der westlichen Heiligen“ fortgesetzt. Der Referent konzentrierte sich auf die Kernpunkte in der Geschichte der theologischen Auseinandersetzungen zwischen Ost und West über die Frage des Filioque bis 1054, wobei er insbesondere auf die Definitionen des Vierten Konzils von Konstantinopel in den Jahren 879-880 unter dem Vorsitz von Patriarch Photios hinwies. Unter anderem bestätigten die Teilnehmer dieses Konzils den Text des nizäno-konstantiopolitanischen Glaubensbekenntnisses und forderten seine Erhaltung, „ohne etwas wegzunehmen, etwas hinzuzufügen, etwas zu ersetzen, nichts zu schmieden“. Erzpriester Andrej Sikojew, Pfarrer der Kirche der Obhut der Jungfrau Maria in Berlin, sprach über den missionarischen Aspekt der Verehrung deutscher Heiliger.
Die Vorträge der Konferenzteilnehmer, die im zweiten Teil der Konferenz zu Wort kamen, waren den Persönlichkeiten der berühmtesten Heiligen der westlichen Kirche des ersten Jahrtausends in Deutschland gewidmet. Unter ihnen waren der hl. Mauritius und die Märtyrer der Thebaischen Legion (dazu sprach der Leiter des Wallfahrtszentrums des Apostels Thomas in Trier Timofej Kitnis), der hl. Maximinian von Trier (vorgestellt von Leser Thomas Brodel, Trier), der Mönch Severin von Norik (Erzpriester Ilya Limberger, Stuttgart), der Märtyrerbischof Bonifatius von Mainz (Igumen Evfimij Moiseev, Rektor des Theologischen Seminars Tula) und der hl. Ansgar von Hamburg (Priester Thomas Ditz, München). Ein Vorstandsmitglied der Gruppe „Deutschsprachige Orthodoxie in Mitteleuropa zu Ehren des Erzengels Michael“, Cornelia Delkeskamp-Heiss, wies auf die Bedeutung der Verehrung für alle christlichen Reliquien hin und nannte die wichtigsten Wallfahrtsorte auf der deutschen Landkarte, wo Reliquien der Heiligen des ersten Jahrtausends aufbewahrt werden. Der Ikonograph Aleksandr Stoljarov aus Wuppertal und die Kunsthistorikerin Irina Jazykova aus Moskau erscnlossen das Thema der traditionellen und neuen Ikonographie alter Heiliger in Deutschland.
Nach der abschließenden Podiumsdiskussion dankte Erzbischof Tichon den Teilnehmern und den Rednern, „von denen viele einen weiten Weg nach Deutschland zurückgelegt haben, um an der Konferenz teilzunehmen, für ihre Vorbereitung und ihre informativen Berichte“ und resümierte: „Die öffentliche Verehrung der alten deutschen Heiligen im Zeitalter der ungeteilten Kirche ist ein verbindender Wert für die treuen Kinder der Russischen Orthodoxen Kirche. Dies gilt insbesondere heute, wo die säkulare Gesellschaft keine geistige und moralische Einheit hat“.