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07 November 2023 - Lasst uns die Zeit nutzen und uns eilen, Gutes zu tun

Die Berlin-Deutsche Diözese > Aktuell > Lasst uns die Zeit nutzen und uns eilen, Gutes zu tun

Am 5. November 2023, dem 22. Sonntag nach Pfingsten und Gedenktag des Apostels Jakobus, des leiblichen Bruders des Herrn, feierte Erzbischof Tichon von Rusa, der Vorsteher der Diözese von Berlin und Deutschland, die Göttliche Liturgie in der Auferstehungskathedrale in Berlin.

Bei der Inständigen Ektenie wurden Gebete für den Frieden im Heiligen Land gesprochen. Nach dem Kommunionvers wandte sich Erzbischof Tichon an die Gemeindemitglieder der Kathedrale mit dieser erzhirtlichen Ansprache:

„Jedes Mal beim Gottesdienst, Brüder und Schwestern, hören wir das Wort Gottes. Die Heilige Kirche möchte, dass jeder von uns, wenn er darüber nachdenkt, sich etwas Wichtiges für die Ewigkeit, für das Heil, zu eigen macht. Das irdische Leben stellt uns vor viele für den menschlichen Verstand unerklärliche Geheimnisse, aber das Leben jenseits des Grabes ist das Geheimnis der Geheimnisse. Was wird mit uns, wenn wir unsere irdische Existenz beenden? Was wird mit unserer Seele, wenn der Leib in die Erde zurückkehrt, von der er genommen wurde? Nur der christliche Glaube kann Antworten auf diese beunruhigenden Fragen geben. Auch das heutige Gleichnis aus dem Evangelium über den reichen Mann, der nicht einmal einen Namen hat, und den Armen Lazarus (Lk 16,19-31) gibt Antworten auf diese Fragen.

Da gab es zwei Menschen. Der eine lebte reich, kleidete sich üppig, vergnügte sich täglich mit seinen Freunden, war aber gegenüber den Armen und Bedürftigen geizig und äußerst hartherzig. Von dem anderen heißt es, dass er, mit Namen Lazarus, schorfbedeckt am Tor des Hauses des Reichen lag und dass die Hunde kamen und am Schorf seiner Wunden leckten. Dann aber ändert sich mit dem Tod plötzlich alles: Der Reiche wurde feierlich begraben, der arme Lazarus aber ohne Aufsehen. Doch der eine zeigt sich in Herrlichkeit, in ewiger Freude, der andere in ewigen Qualen. Der Bettler wurde von den Engeln in Abrahams Schoß, in das Reich der Gerechten, getragen, während der Reiche in die Unterwelt ging.

Was hatte der reiche Mann getan, um in den Hades zu kommen, worin bestand seine Sünde? Er hatte doch nicht befohlen, den Bettler wegzujagen, er war nicht dagegen, dass die Reste von seinem Tisch an den Bettler gingen. Er hatte ihn nicht mit dem Fuß getreten, er hatte ihn nicht angespuckt, er hatte sich nicht über ihn lustig gemscht. Der Kommentator sagt dazu: „Der reiche Mann ging in das ewige Gefängnis, weil er nichts getan hatte; als er die Armut und das Leid um sich herum sah, wollte er nichts bemerken. Für ihn gehörte der Bettler zum Stadtbild. Er schenkte ihm nicht die gebührende Beachtung, denn er war ohne Mitleid“. Und was war mit Lazarus? Jeden Tag stand er vor der Frage: Was bedeuten diese Leiden, warum wurden sie geschickt, welcher Sinn liegt in ihnen, und was erwartet mich in der Zukunft? „Lazarus lebte in der Tiefe des Verständnisses für all dies. Er war arm, aber er stahl nicht; er war krank, aber er murrte nicht; er litt, aber er ertrug alles geduldig; er betrachtete das Leben als ein Geschenk Gottes und warf dieses Geschenk nicht in den Dreck, wie es wahnsinnige Selbstmörder tun.“ Lazarus wusste aus Erfahrung, was Mitgefühl und Barmherzigkeit sind, wofür er von Gott mit den ewigen Gütern gewürdigt wurde.

Das heutige Gleichnis, Brüder und Schwestern, spricht zu uns davon, dass wir nicht darüber klagen sollen, dass das Leben hart ist und uns Nöte widerfahren. Durch die vorübergehenden Leiden und Drangsale, die der Herr uns zuteilt, werden wir von der Sünde geläutert wie Gold im Schmelztiegel und werden fähig zu verstehen, was das Leben und was der Tod ist. Das Gleichnis eröffnet uns, wie unser Verhältnis zum Reichtum sein soll, es bestätigt uns in der Unvermeidlichkeit des Todes und der Realität des Lebens nach dem Tod, es eröffnet uns, wie nah und wie fern wir einander sein können. Das Gleichnis lehrt uns, dass früher oder später das Ende des irdischen Lebens kommt und jeder von uns vor dem Göttlichen Gericht stehen muss.

Deshalb, Brüder und Schwestern, lasst uns die Zeit nutzen und uns eilen, Gutes zu tun. Hören wir auf das Wort Gottes und lasst uns von ihm in unserem Leben leiten, seien wir, wie der Herr es von uns will, mitfühlend und barmherzig, erwärmen wir die Leidenden und Bedürftigen mit unserer Aufmerksamkeit und Fürsorge, mit einer Liebkosung, einem Lächeln, einem freundlichen Wort, mit kräftiger Hilfe. Lasst uns nicht an den Tränen und dem Kummer der anderen vorbeigehen! Denn gerade im Mitgefühl und in der Barmherzigkeit gegenüber dem Nächsten reift der Mensch und wächst geistlich. Lasst uns immer daran denken, dass im Nächsten nach den Worten der Heiligen Väter unser ewiges Heil eingeschlossen ist. Amen.“