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07 November 2022 - Was wird mit uns sein, wenn wir unsere irdische Existenz beenden

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Am 6. November 2022, dem 21. Sonntag nach Pfingsten, feierte Erzbischof Tichon von Rusa, Leiter der Diözese von Berlin und Deutschland, die Göttliche Liturgie in der Pfarrei zu Ehren der Ikone der Gottesmutter „Freude aller Trauernden“ in Brandenburg. Erzbischof Tichon wandte sich dort mit diesem erzhirtlichen Wort an die Teilnehmer des Gottesdienstes.

Jedes Mal hören wir im Gottesdienst, Brüder und Schwestern, das Wort Gottes. Die Heilige Kirche möchte, dass jeder von uns, indem er darüber nachdenkt, etwas sehr Wichtiges für die Ewigkeit, für die Erlösung, lernt. Das irdische Leben ist für uns voller Geheimnisse, die den menschlichen Verstand übersteigen, aber das Leben nach dem Tod ist das Geheimnis der Geheimnisse. Was wird mit uns sein, wenn wir unsere irdische Existenz beenden? Was wird mit unserer Seele, wenn der Körper zur Erde zurückkehrt, aus der er genommen wurde? Nur der christliche Glaube kann Antworten auf diese beunruhigenden Fragen geben. Eine solche Antwort gibt auch das Gleichnis aus dem heutigen Evangelium über den reichen Mann, der nicht einmal einen Namen hat, und den armen Lazarus (Lk 16,19-31).

Es lebten da zwei Männer. Der eine lebte reich, kleidete sich prächtig, erfreute sich täglich mit seinen Freunden, war aber geizig und äußerst hartherzig gegenüber den Armen. Von dem anderen wird gesagt, dass er, mit Namen Lazarus, mit Schorf bedeckt an der Pforte des Hauses des Reichen lag, und dass Hunde kamen und den Schorf seiner Wunden aufleckten. Und plötzlich ändert sich mit dem Tod alles: Der reiche Mann wird feierlich begraben, der arme Lazarus aber unscheinbar. Und der eine findet sich in der Herrlichkeit wieder, in ewiger Freude, der andere in der ewigen Pein. Der Arme wurde von den Engeln in Abrahams Schoß, in das Königtum der Gerechten, getragen, während der Reiche in die Unterwelt kam.

Was hat der Reiche Mann getan, um in den Hades zu kommen, worin bestand seine Sünde? Er befahl ja nicht, den Bettler zu verfolgen, und er war nicht dagegen, dass die Reste von seinem Tisch an den Bettler gingen. Er hat ihn nicht getreten, er hat ihn nicht angespuckt, er hat ihn nicht verspottet. Der Ausleger erläutert: „Der reiche Mann war in einem ewigen Gefängnis, weil er nichts getan hatte; er sah die Armut und das Elend um sich herum – und wollte es nicht bemerken. Für ihn war der Bettler ein Teil des Stadtbildes. Er hat ihn nicht richtig beachtet, er war mitleidlos!“.

Was aber war mit Lazarus? Jeden Tag stand er vor der Frage: Was bedeuten diese Leiden, warum werden sie geschickt, was hat es für einen Sinn und was liegt vor ihm? Lazarus lebte in der Tiefe des Verstehens von allem. Er war arm, aber er stahl nicht; er war krank, aber er murrte nicht; er litt, aber er ertrug alles geduldig; er betrachtete das Leben als ein Geschenk Gottes und warf dieses Geschenk nicht in den Dreck, wie es die Selbstmörder ohne Verstand tun. Lazarus wusste aus Erfahrung, was Mitgefühl und Barmherzigkeit sind, wofür er von Gott mit den ewigen Gütern geehrt wurde.

Das heutige Gleichnis, Brüder und Schwestern, sagt uns, dass wir nicht darüber klagen sollen, dass das Leben hart ist und uns Nöte widerfahren. Durch die zeitlichen Leiden und Drangsale, die der Herr bei uns zulässt, werden wir von der Sünde gereinigt, wie Gold im Schmelztiegel, und werden fähig zu verstehen, was Leben und Tod sind. Das Gleichnis zeigt uns, wie unsere Haltung gegenüber dem Reichtum sein sollte, es versichert uns die Unvermeidlichkeit des Todes und die Realität des Lebens nach dem Tod, es zeigt uns, wie nah und wie fern wir einander sein können. Das Gleichnis lehrt uns, dass früher oder später das Ende des zeitlichen Lebens kommt und jeder von uns vor dem Gericht Gottes stehen wird.

Deshalb, liebe Brüder und Schwestern, lasst uns die Zeit nutzen und uns eilen, Gutes zu tun. Indem wir auf Gottes Wort achten, lasst uns, wie dies der Menschenliebende Herr von uns erwartet, im Leben mitfühlend und barmherzig sein und diejenigen, die leiden und unsere Aufmerksamkeit und Sorge brauchen, mit Zuneigung, mit einem Lächeln, einem freundlichen Wort und jeder Hilfe, die wir nur geben können, erwärmen. In Mitgefühl und Barmherzigkeit für den Nächsten reift der Mensch geistlich und wächst. Denken wir immer daran, dass nach dem Wort der heiligen Väter unser ewiges Heil in unserem Nächsten liegt. Amen.