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31 Januar 2022 - Wenn wir glauben, dass Gott uns nicht verlässt, dass Er uns das gibt, worum wir in unseren Gebeten bitten, bedeutet das, dass unser Glaube nicht eitel ist

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30. Januar 2022 – Am 31. Sonntag nach Pfingsten feierte Erzbischof Tichon die Liturgie in der Auferstehungs-Kathedrale in Berlin. Nach dem Kommunionvers hielt der Erzbischof eine Predigt über das Thema der sonntäglichen Evangelienlesung.

„Zum Sonntag beglückwünsche ich alle. Die Evangelienlesung des heutigen Tages, Brüder und Schwestern, berichtet von dem Wunder, das Jesus Christus auf seinem Weg von Galiläa nach Jerusalem vollbrachte. Die kürzeste Route verlief durch das Tal des Jordanflusses und führte durch Jericho. Dies war Sein letzter Besuch der Stadt, merkt der Kommentator an, der erste war nach der Taufe im Jordan. Damals unerkannt, jetzt – im Gegenteil – bekannt, kommt der Herr, um in Jerusalem am Kreuz zu leiden.

An der staubigen Straße, die nach Jericho führt, saß wie zufällig ein Blinder, der zudem ein Bettler war. Aber im irdischen Leben des Herrn gab es nie etwas Zufälliges. Er war in die Welt gekommen, um „zu suchen und zu retten, was verloren ist“ (Lk 19,10). Ein Zeugnis dafür ist die Begegnung des Herrn mit dem Blinden Mann. Da er nicht sehen konnte, lebte er mit dem Herzen, suchte mit dem Herzen Gott und wartete auf seine Heilung. Er wollte sehen, was andere sahen. Sein einziger Trost war sein lebendiger Glaube an Gott und seine unauslöschliche Hoffnung, von Gott erhört zu werden. Und so geschah es auch.

Als er das Nahen der Menschenmenge bemerkte, fragte er: „Was ist das?“ (Lk 18,36). Als der Blinde dann von den Vorübergehenden hörte, dass Jesus von Nazareth käme, schrie er laut: „Jesus, Sohn Davids! Erbarme Dich meiner“ (Lk 18,38). „Er wusste sehr wohl“, sagt dazu der Kommentator, „dass der Messias aus dem Geschlecht Davids stammte, dass nur Er den Menschen ihre Versündigungen vergeben konnte und dass nur Er, als Gott, das Augenlicht schenken konnte. Obwohl die Vorübergehenden den Blinden zum Schweigen bringen wollten, schrie er noch lauter zum Herrn. Er war blind auf den Augen, aber er war nicht blind im Geist. Sein Glaube gab seinem Geist das Sehen, er sah Gott mit seinem Geist“. Als der Blinde herangebracht wurde, fragte ihn der Herr, was er wolle. „Herr, dass ich sehe“ (Lk 18,41). Der Herr offenbart seinen tiefen Glauben vor den anderen. Der Blinde bittet nicht um Almosen, er bittet um sein Augenlicht. „Sieh! Dein Glaube hat dich gerettet“ (Lk 18, 38-42), war die Antwort des Himmlischen Arztes. Und er wurde sofort geheilt, jubelte vor Freude, folgte seinem Retter und pries Gott.

Es ist schwer sich vorzustellen, wie bitter es ist, ohne körperliche Augen in der Welt zu leben: kein Licht und keine Menschen zu sehen, keine Sonne, keinen Mond und keine Sterne, keine Familie und keine Nächsten zu sehen. Aber „es ist viel elender, Brüder und Schwestern, leibliche Augen zu haben, aber keine geistlichen: die Werke Gottes nicht zu erkennen, die der Herr zum Heil des Menschen wirkt; das Gute nicht vom Bösen zu unterscheiden, die Hilfe Gottes zurückzuweisen, die Erde dem Himmel vorzuziehen, den Tod dem Leben, die Hölle dem Paradies, die zeitlichen Freuden der ewigen Seligkeit“. Es gibt Menschen, die den Schöpfer und Gestalter der Welt nicht sehen. Weder die sichtbare Natur, noch die Ereignisse, in denen die Hand Gottes deutlich zu erkennen ist, noch die Wunder – nichts wendet ihr Denken und ihre Herzen zu Gott. „Es sagt der Tor in seinem Herzen: ‚Es gibt keinen Gott'“ (Ps 13,1), sagen die geistig Blinden selbstbewusst. Möge der Herr uns alle vor geistlicher Blindheit retten!

Welche Lehren sollen wir aus dem Gehörten ziehen? – Lasst uns von dem sehend gewordenenen Blinden, Brüder und Schwestern, seinen tiefen Glauben lernen. Wenn wir glauben, dass Gott uns nicht verlässt, dass Er uns das gibt, worum wir in unseren Gebeten bitten, bedeutet das, dass unser Glaube nicht eitel ist. „Alles, was ihr im Gebet erbittet, glaubt, dass ihr es empfangen werdet, und es wird euch gehören“ (Mk 11,24). In diesen Worten gibt es keine Einschränkungen für Gebetsanliegen an Gott, nur eine Bedingung – wir müssen glauben, dass der Herr uns hört und das Erbetene geben wird. „Wer hat dem Herrn geglaubt und ist beschämt worden?“ (Sir 2,10), sagt Gott durch den Mund des Propheten. Wer hat mit Hoffnung den Herrn gebeten und nicht dass Erbetene erhalten? Alle haben zu ihrem Nutzen erhalten. Eins nur müssen wir wissen, dass das von uns Erbetene mit dem Willen Gottes übereinstimmen muss.

Der geheilte Blinde lehrt uns, Brüder und Schwestern, dass wir die Leiden im Vertrauen auf Gott ertragen sollen. Gäbe es keine Leiden in unserem Leben, gäbe es keinen Grund zur Reue über die Sünden, keinen Grund, unsere Verstöße zu überdenken, zum inständigen Gebet und zum Streben nach dem Himmlischen Königtum. Gemäß den Worten der heiligen Vätern lernt der Mensch in Bedrängnissen sich selbst tiefer kennen. Er schaut in jene Ecken seiner Seele, in die er in anderenm Zeiten nicht einzudringen suchte. Deshalb wollen wir nicht traurig sein, sondern Gott danken, wenn uns Kummer und Krankheiten heimsuchen. Das bedeutet, dass Gott uns nicht vergessen hat. Er weiß, wann Er uns aus der Bedrängnis befreit.

Mit tiefem Glauben und aufrichtigem Gebet, Brüder und Schwestern, wenden wir uns in den Nöten an den barmherzigen Gott, und wir können sicher sein, dass Er uns nicht ohne Hilfe lässt; vielleicht wird der Herr unsere Bitten nicht sofort erfüllen, aber Er wird es auf jeden Fall tun. Übergeben wir uns und unsere Nächsten dem allguten Willen Gottes. Er weiß, was wir zur Rettung brauchen, und wird nicht zulassen, dass wir über unsere Kräfte hinaus versucht werden. Amen.