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09 Juni 2023 - Wir finden die Kraft für alles, wenn wir mit Gott sind durch die Gnade des Tröstergeistes

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Am 6. Juni 2023, dem Festtag der heiligen Ksenia von Petersburg (1988 verherrlicht), feierte Erzbischof Tichon von Rusa, der Leiter der Diözese von Berlin und Deutschland, die Göttliche Liturgie in der Gemeinde der heiligen Seligen Ksenia von Petersburg in Rostock.

Erzbischof Tichon wandte sich nach dem Kommunionvers mit einer erzhirtlichen Ansprache an die Gemeinde:

„Die Festfeier von Pfingsten, dem Tag der Heiligen Dreiheit, geht weiter. Wir erinnern uns, wie sich die Apostel zusammen mit der Gottesmutter im Obergemach auf dem Zion versammelten. Dort waren sie auf Geheiß ihres Göttlichen Lehrers, Der ihnen vor Seiner Himmelfahrt aufgetragen hatte, Jerusalem nicht zu verlassen, sondern auf den verheißenen Tröstergeist zu warten. Am zehnten Tag nach der Himmelfahrt kam der Heilige Geist in Flammengestalt im Obergemach von Zion auf die Jünger Christi herab. Die bis dahin Furchtsamen und Ängstlichen wurden aufopferungsbereit und mutig. Hatten sie bis dahin nicht verstanden, worin das Wesen des Erlösungswerks ihres Göttlichen Meisters bestand, so begriffen sie schließlich das Geheimnis der Göttlichen Menschwerdung und wurden zu Verkündern des Evangeliums in der ganzen Welt. Sie erhielten vom Heiligen Geist außergewöhnliche Gnadengaben: Sie lehrten, wirkten Wunder und sprachen in verschiedenen Sprachen. An diesem Tag, an die Herabkunft des Heiligen Geistes geschah, sahen die Juden, die zum Pfingstfest gekommen waren, wie zu ihrem Erstaunen einfache Fischer, einfache Jünger des Herrn Jesus Christus, vor ihren Augen verklärt wurden. Mehr als dreitausend Menschen ließen sich an diesem Tag nach der flammenden Predigt des Apostels Petrus über den Heiland taufen.

Als gnadenhafte Frucht des Kommens des Erlösers in die Welt, Seines Leidens am Kreuz, des Todes, der Auferstehung und der Himmelfahrt, als Frucht der Herabkunft des Heiligen Geistes erweisen sich die Heiligen Gottes, deren Gedenken wir an einem jedem Tag begehen. Die Heiligen, die mit ihrem Leben Gott verherrlichten, die Ihm bis zum Ende die Treue hielten, zeigten ein Beispiel dafür, wie man dem Herrn dienen soll. Zum Chor der von der Kirche verherrlichten Heiligen gehört auch die heilige Ksenia von Petersburg, die himmlische Beterin, die Fürsprecherin und Beschützerin dieses heiligen Ortes und eines jeden, der sich im Glauben und Gebet an sie wendet. Im Jahr des 1000-jährigen Jubiläums der Taufe der Rus‘ fand ein Landeskonzil der Russischen Orthodoxen Kirche statt. Und dort wurden einige Heilige verherrlicht, darunter die selige Ksenia von Petersburg. 35 Jahre sind seitdem vergangen, und heute begehen wir ihr Andenken und feiern gleichzeitig den Tag ihrer Verherrlichung durch die Kirche.

Wenn wir die Ikone betrachten, schaut uns eine einfache russische Frau an, die durch ihre Lebenstat die nördliche Hauptstadt unseres Vaterlandes – Sankt Petersburg – berühmt gemacht hat. Und sie hinterließ eine unauslöschliche Spur im Gedächtnis der Russischen Kirche. In der Biografie der Heiligen heißt es, dass sie durch durch ihre Lebenstat, durch selbstloses Tragen des Kreuzes, durch Demut, Geduld, durch Liebe zu Gott und Vertrauen in Ihn von Ihm gewürdigt wurde, während ihres Lebens Gnade zu erlangen und das ewige Leben und das ewige Heil zu erben.

Sie wurde in der ersten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts geboren und vollbrachte ihr Werk in Petersburg. Über ihre Kindheit und Jugend ist nichts überliefert. Das Gedächtnis des Volkes hat nur bewahrt, dass sie ihr Werk nach dem tragischen Tod ihres Ehemannes begann. Sie war erst 26 Jahre alt. Ihr Ehemann starb einen plötzlichen Tod ohne jeden christlichen Beistand. Bei den heiligen Vätern wird dies auch als „schamloser“ Tod bezeichnet. Erschüttert vor Trauer kam Ksenia zur Beerdigung ihres Mannes und trug unter dem Namen „Andrej Fedorovič“ seinen Kaftan. Nachdem sie ihren Mann begraben hatte, begann sie das schwierigste Werk des Narrentums in Christus, nämlich dass ein Mensch in den Augen der Menschen die Vernunft aufgibt. Wahnsinnige, so sagt man über sie. Anfangs musste sie so viel ertragen, wie man es sich nicht vorstellen kann: Spott, Hohn, Beleidigungen, Verfolgung und viele schreckliche, harte Worte. Aber allen Widrigkeiten zum Trotz setzte sie ihr Werk fort. Tagsüber lief sie sie in Lumpen herum, in zerschlissenen Schuhen und dem Kaftan ihres Mannes, verfolgt und verachtet, ertrug Kälte und Hitze. Nachts ging sie zum Gebet, versteckte sich vor den Blicken und Augen der Menschen und flehte und betete zu Gott um ihre Rettung und die ihres Mannes. Zweifellos betete sie auch für diejenigen, die sie beschimpften, verfolgten und verhöhnten.

Mit der Zeit begannen die Menschen zu bemerken, dass es sich nicht einfach nur um eine Bettlerin und eine verrückte Frau handelte. Die Menschen begannen zu bemerken, dass die Selige über die Gaben der Einsicht, der Gnade und des Gebets verfügte; wo immer sie auftauchte, wurde ein krankes Kind geheilt, eine Unordnung im Familienleben wurde plötzlich behoben, Mädchen heirateten, Jungen heirateten. Wenn man ihr etwas schenkte, gab sie es sofort an die Armen weiter. Nachdem sie 45 Jahre lang ihr erlösendes Kreuz im Werk der Torheit getragen hatte, ging die gesegnete Ksenia ein zum Herrn und wurde auf dem Smolensker Friedhof in Petersburg beigesetzt, dort, wo sie seinerzeit geholfen hatte, ein Gotteshaus zu Ehren der Ikone der Mutter Gottes zu errichten.

„Wer mir nachfolgen will, sagt der Herr, „verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach“ (Mk 8,34). Jeder von uns hat, wie Ksenia von Petersburg, sein eigenes Kreuz. Und jeder von uns, der sich Christ nennt, ist verpflichtet, es im Leben zu tragen. Dieses Kreuz besteht aus Kummer und Entbehrungen, aus Krankheiten und Prüfungen und aus allem anderen, was in unserem Leben leidvoll ist. Aber jeder muss es tragen. Es ist erstaunlich, aber wenn der Mensch das Kreuz mit Demut, mit Geduld, ohne Murren, ohne Zorn trägt, wenn er sich ganz und gar dem Herrn hingibt, dann hilft der Herr dem Menschen, sein Kreuz zu tragen.

Nach den Worten der heiligen Vätern leidet Er in unseren Gliedern zusammen mit uns, Er trägt uns in den Armen, wenn es uns besonders hart und unerträglich ist. „Wo bist du gewesen, Herr“, sagte Antonios der Große, als er mit den Dämonen kämpfte, die bereit waren, ihn zu zerreißen, als der Herr ihm erschien und die Dämonen sich wie Rauch auflösten. „Ich bin an deiner Seite gewesen und habe deine Heldentat gesehen“, antwortete der Herr. Vom Menschen wird Anstrengung, wird Entschlossenheit verlangt. Der Herr will uns retten, aber ohne unsere Entschlossenheit, ohne unsere Bereitschaft, Ihm zu folgen, wird Er nicht helfen. Wir staunen über die Leistung der Martyrer und Martyrerinnen. Woher kommt in einem schwachen Kind oder einem alten Menschen eine solche Geistesstärke, Tapferkeit und Mut? Von Gott, vom Tröstergeist, Der Gnade schenkt als Antwort auf die Entschlossenheit, die Festigkeit und den Glauben des Menschen.

So ist es im Leben und wir sind Zeugen dafür. Wenn jeder nüchtern auf sein Leben schaut, wird er feststellen, dass sein ganzes Leben voller Wunder, voll göttlicher Hilfe und Unterstützung ist, besonders in schwierigen Minuten. Und das Murren kommt immer aus Kleingläubigkeit und mangelndem Vertrauen in Gott. Was ist nötig, um das Kreuz des Lebens bis zum Ende zu tragen? Das ist das Ziel, zu dem Gott uns aus dem Nichtsein berufen hat. Damit wir an Seiner ewigen Freude teilhaben und das ewige Leben mit ihm erben. Wie können wir das Kreuz inmitten einer solchen Fülle von Schwierigkeiten, Nöten, Prüfungen, Katastrophen und Ängsten tragen? Wie? Wir haben die Beispiele von Gottes Heiligen vor uns, die genau so waren wie wir. Und wir sollten nicht denken, dass ihre jeweilige Zeit einfach war. Es gibt immer Zeiten, die für die Erlösung notwendig sind, damit unser innerer Mensch sichtbar wird als ein Christ. Dafür ist immer notwendig, dass wir unsere Entschlossenheit, unseren Glauben an Gott, unsere Liebe zu Ihm und unser Vertrauen in Ihn zeigen. Dann hilft der Herr.

Bei Abba Isaiah findet sich dieser Rat: „Wenn du dem Herrn folgen willst, halte Seine Gebote“. Die Gebote werden im Evangelium offenbart. Das heißt, jeder von uns muss das Evangelium lesen, es studieren und sich dabei bemühen, dass unsere Worte, Handlungen und Taten Gottes Wort entsprechen. „Bereite dein Herz vor, Demütigungen wohlwollend zu ertragen“. Versuche, uns zu treffen: Sofort flammt unser Zorn auf, unsere Unzufriedenheit. Sofort meldet sich unsere Rechthaberei. Wir müssen erkennen, dass wir, auch wenn wir in diesem Fall im Recht sind, Gott in unserer Seele keinen Platz einräumen. Also müssen wir uns berichtigen. Abba Isaiah sagt weiter: „Wir müssen die lieben, die uns beleidigen, und uns vor allen demütigen“. Es ist sehr schwierig, sich vor anderen zu demütigen, aber es ist unerlässlich. Stück für Stück, aber notwendig. Ein, zwei, drei Mal hat es nicht geklappt, aber wenn man den Wunsch und die Entschlossenheit hat, wird es gelingen. Der Herr gibt Gnade für Geduld und für Fleiß.

Man kann nicht auf einmal auf eine hohe Ebene aufsteigen, man muss schrittweise vorgehen. So ist es auch im geistlichen Leben. Die Tugend wird allmählich erlangt, mit Überlegung, die jeder guten Tat vorangehen muss. Man muss seine Begierden zügeln. Oh, wie schwer ist das! Die Welt mit ihren Vergnügungen lockt. Und der Herr stellt uns in sehr harte Bedingungen. Es ist, als ob Er sagt: Schau, gefällt dir, was dich umgibt, ist es attraktiv für dich? Schau, wie es in einer Stunde durch Katastrophen, Seuchen und andere Bedrängnisse vergehen kann. Wir haben mit euch die Pandemie durchlebt. Wer hätte denken können: ein und für allemal sind wir gefangen in unserem so genannten „Glück“. Und was ist es wert? – Nichts. Deshalb müssen wir die ewigen Werte sehen und unseren Blick auf sie richten, indem wir unsere Seele mit Tugenden veredeln nach dem Bild unseres Schöpfers und nach dem Vorbild der Heiligen, die Ihn in ihrem Leben nachgeahmt haben. „Schweige mit der Zunge und mit dem Munde“, lehrt Abba Isaiah, „verurteile niemanden in deinem Herzen“. Der Mensch schweigt, aber innerlich verflucht er alle. Dieses Schweigen im Herzen und das Nichtverurteilen sind auch eine große Aufgabe, um die sich jeder von uns bemühen sollte. Ist das schwierig? – Natürlich ist es das.

Aber wir finden die Kraft für alles, wenn wir mit Gott sind durch die Gnade des Tröstergeistes. Und wir haben Heilige, deren Lebensbeispiel nicht nur mit Worten gepriesen werden sollte, sondern wir sollten auch ihre Taten nachahmen. Darin besteht die wahre Verehrung der Heiligen. Lasst uns, Brüder und Schwestern, uns immer an Christus erinnern, an Seinen Schmerz und Sein Leiden für uns. Das Kreuz, das wir in christlicher Demut tragen, das ist unser Dienst an Gott. Danken wir Gott für alles, und wünschen wir uns, dass unsere Angelegenheiten nicht so geregelt werden, wie wir es uns vorstellen, sondern wie unser Schöpfer und Erlöser Gott es wünscht. Auf die Gebete der seligen Ksenia möge der Herr uns helfen, sein „gutes Joch“ (Mt 11,30) zu tragen. Amen.“