18 Mai 2023 - ZDF übertrug live die Göttliche Liturgie aus der Kirche der hl. Barbara in Krefeld
Seit über 25 Jahren überträgt einmal im Jahr das ZDF eine „Göttliche Liturgie“ aus einer orthodoxen Kirche in Deutschland, die zu einem erheblichen Teil auch in deutscher Sprache gefeiert wird. 2023 erfolgt die Live-Übertragung am 7. Mai, dem vierten Sonntag nach Ostern, dem Sonntag des Gelähmten, live von 9:30-10:15 Uhr aus der Kirche der hl. Barbara in Krefeld. Es zelebrierten der Vorsteher der Gemeinde, Priester Alexej Veselov, Priestermönch Feodosij Zolotov sowie die Diakone Dr. Elmar Kalthoff und Igor Willimowski.
Die multinationale Pfarrei existiert seit 2012 und gehört zur Diözese von Berlin und Deutschland der Russischen Orthodoxen Kirche. Die Gemeindemitglieder kommen ursprünglich aus vielen verschiedenen Ländern, darunter Russland, der Ukraine, Weißrussland, Moldawien, Kasachstan und den baltischen Staaten. Aufgrund der ethnischen Vielfalt der Gemeinde wird ein erheblicher Teil des Gottesdienstes stets in Deutsch gefeiert. Aktuell bietet die Gemeinde auch sehr vielen Flüchtlingen aus der Ukraine Hilfe und Unterstützung, vor allem eine geistliche Heimat.
Die Liturgie wurde primär in deutsch und teilweise auch in kirchenslawisch abgehalten und vom Gemeindechor unter der Leitung von Elena Wagner begleitet. Die Kommentierung der Übertragung übernahm Ipodiakon Nikolaj Thon, Medienbeauftragter und Generalsekretär i.R. der Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland.
Im Anschluss an den Gottesdienst standen Mitglieder der Gemeinde und der orthodoxen Kirche in Deutschland für Fragen am Telefon zur Verfügung. Insgesamt riefen rund tausend Zuschauer an.
Das Video des Mitschnitts kann in der ZDF-Mediathek angesehen werden. Etwa 600.000 Zuschauer verfolgten live die Sendung. Mit 7,8% aller zu dieser Zeit eingeschalteten Fernsehgeräte war es einer der am meisten gesehenen orthodoxen Gottesdienste der vergangenen Jahre.
Der Gemeindepfarrer Alexej Veselov predigte zum Evangelium des Tages vom Gelähmten (Jo 5, 1-15):
“ „Liebe Brüder und Schwestern, heute lesen wir im Evangelium über die Heilung einesGelähmten durch Christus. Dieser Mann war körperlich krank, doch auch von seelischen Leiden ist an dieser Stelle die Rede. Es sind vor allem Sünden und sündhafte Leidenschaften, die jeden Menschen plagen. Und so, wie das körperliche Leiden dieses Mannes zu seiner Querschnittslähmung führte, führen die seelischen Krankheiten zu einer inneren Lähmung der Seele. Im heutigen Tagesgesang heißt es: „Meine Seele, o Herr, ist durch mannigfache Sünden und unrechte Taten schrecklich gelähmt.“
Im Jahr seit Kriegsbeginn in der Ukraine haben viele Menschen mit mir über eine innere Lähmung gesprochen. Die ukrainischen Geflüchteten, die mittlerweile die Hälfte unserer Gemeinde bilden. Sie sind fernab der Heimat, getrennt von ihren Familien, zerknirscht durch Verlust den ihrer Liebsten, ihrer Wohnungen, ihrer über Jahrzehnte aufgebauten Existenz. Unsere deutschen Gemeindemitglieder und Nachbarn, von denen grade die Älteren sagen: „Ich hätte nie gedacht, dass es in Europa wieder Krieg geben würde“. Aber auch die russischen Gemeindemitglieder, die ihre Heimat lieben und in Sorge sind.
Ich selbst bin mit Geschichten über die Schrecknisse des Krieges aufgewachsen. Meine jüdische Großmutter war während des Zweiten Weltkrieges in der Sowjetunion auf der Flucht. Auf der einen Seite vom Krieg – sie wurde vor Beginn der Belagerung Leningrads aus der Stadt gebracht. Auf der anderen Seite von den Sowjets selbst, denn ihrem Vater wurde antisowjetische Tätigkeit vorgeworfen, wofür er Jahre in einem Arbeitslager zubrachte.Er war einer von 12 Geschwistern einer jüdischen Familie, die bei Brest lebte. Zum Studium zog er vor dem Krieg nach Leningrad, ein anderer Bruder emigrierte in die USA. Alle anderen Geschwister wurden 1941 nach der Besetzung der Region erschossen oder in Konzentrationslager verschleppt. So war auch meine Seele entsetzt und gelähmt, als erneut ein Krieg mitten in Europa begann und eskalierte.
Wenn wir die Nachrichten einschalten oder zum Stammtisch gehen, werden wir verschiedene Begründungen für den Krieg zu hören bekommen: Politiker, die Wirtschaft, historische Geschehnisse. Doch was ist der Grund für einen Krieg aus geistlicher Sicht? Es sind die Leidenschaften der Menschen. Machtgier und Habgier, Eitelkeit und Stolz, Zorn und Rechthaberei, Ehrgeiz und Ruhmsucht, Überheblichkeit und Undankbarkeit, das Nachtragend sein und viele andere. Früher und heute entstehen Kriege, weil Menschen in Leidenschaften gefangen sind und ihre Entscheidungen nicht auf der Grundlage der Gebote Gottes treffen, nicht aus der Liebe zu Gott und zum Nächsten heraus, sondern aus der Liebe zu sich selbst. Und aus Liebe zur eigenen Sünde.
Doch wir sind heute nicht in der Kirche versammelt, um die Handlungen von anderen zu beurteilen. Wir stehen hier in diesem Tempel vor Gott. Wir können uns verstehen und wir können uns ändern. Und das ist auch für diese Welt wichtig, denn wir sind ein Teil der Welt. Wenn wir sündigen, wird das Böse in der Welt größer. Wenn wir aber stattdessen die Werke des Herrn verrichten, tragen wir unseren Beitrag für den Frieden bei. In dem Sinne sprach der Prophet David: „Wende dich ab vom Bösen und tue das Gute; suche den Frieden und jage ihm nach.“ (Ps. 33, 15)
Im Tagesgesang beten wir weiter: „Meine Seele ist gelähmt. Richte sie auf durch Deine göttliche Sorge, wie Du einst aufgerichtet hast den Gelähmten, auf dass ich gerettet zu Dir rufe: Christus, Barmherziger, Ehre Deiner Macht!“ Unser Körper kann oft von einem Arzt geheilt werden, aber die geistliche Heilung kann nur durch Christus erfolgen. Nur Gott allein kann uns wahren Trost geben und die Lähmung unserer Seelen lösen.
Der Herr sagt zum Gelähmten, nach dem Er ihn geheilt hat: „Siehe, du bist gesund geworden; sündige nicht mehr, damit dir nichts Schlimmeres widerfahre.“ (Joh 5, 1-14) Wir sehen also, dass der Grund für eine körperliche Krankheit eine Sünde sein kann. Doch die geistliche Lähmung ist immer eine Folge der Sünde. Und wir hören eine Warnung: „sündige nicht mehr, damit dir nichts Schlimmeres widerfahre“.
Wenn wir von Christus geheilt wurden, müssen wir uns gesund halten, wir dürfen nicht in unser altes Leben zurückfallen. Nur durch die tatkräftige Liebe zu Christus, durch das Gebet, die Beichte und die Kommunion, das Fasten und die Askese können wir innerlich umkehren und frei von Sünden und Leidenschaften werden.
Es ist Christus, der uns durch Seine Auferstehung gerettet hat. Es sind aber wir, die diese Errettung nutzen können – um uns von unseren Sünden zu verabschieden und Gutes zu tun. Amen.“
Zahlreiche Bilder auf der Gemeindewebseite: https://www.rok-krefeld.de/de/index.php/news/286-07-05-2023-uebertragung-des-zdf-fernsehgottesdienstes-aus-unserer-kirche