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27 November 2023 - Gerade in Bedrängnissen wird der Mensch zum Menschen

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Am 26. November 2023, dem 25. Sonntag nach Pfingsten und Festtag des heiligen Johannes Chrysostomos, des Erzbischofs von Konstantinopel, feierte Erzbischof Tichon von Rusa, der Vorsteher der Diözese von Berlin und Deutschland, die Göttliche Liturgie in der Kathedraldomkirche der Auferstehung Christi in Berlin.

Am Ende des Gottesdienstes wurde ein Lobpreis gefeiert und das Gebet zum heiligen Bischof Johannes Chrysostomos gesprochen. Erzbischof Tichon wandte sich anschließend mit einer erzhirtlichen Ansprache an die Gemeindemitglieder in der Kathedrale:

„Heute ist der Tag des Gedenkens an einen der großen Lehrer der Kirche, den heiligen Bischof Johannes Chrysostomos. Er wurde im Jahr 347 in Antiochia in einer frommen Familie geboren. Bald darauf starb sein Vater, und der verwitweten Mutter wurde ihr einziger Sohn zur Erziehung überlassen, dem sie alle ihre Jahre widmete. Sie erzog ihn im Glauben und lehrte ihn zu beten. In der Schule der Philosophen und Rhetoren erzogen, begann der junge Johannes, die Heilige Schrift zu studieren. In ihr fand er den wahren Sinn des Lebens, und im Gebet wandte er sich an Gott und entschied sich, Ihm sein ganzes Leben zu widmen. Zusammen mit seinem Freund Basileios, der später Erzbischof von Kaisareia in Kappadokien wurde, unterwarfen sie sich im Gehorsam geistlich erfolgreichen Lehrern und übten sich unter deren Anleitung in Fasten, Wachen und Gebet.

Schon in kurzer Zeit zog der fromme junge Mann die Aufmerksamkeit des Bischofs von Antiochia auf sich, der Johannes 367 zum Lektor bestimmte, dann zum Diakon und 386 zum Priester weihte. Von dieser Zeit an begann Johannes‘ Predigttätigkeit. Zwei- oder dreimal in der Woche wandte er sich mit einem mahnenden Wort an das Volk. Und das zwölf Jahre hintereinander. Nicht nur die Christen, sondern auch Juden und Heiden versammelten sich, ihn zu hören. Sein Wort war so überzeugend und krafterfüllt, dass es die Herzen der Menschen berührte. Für seine außergewöhnliche Beredsamkeit erhielt der Priester Johannes von seiner Gemeinde den Namen „Chrysostomos“, der „Goldmund“. Wenn sein Wort durch Beifallsklatschen und lautstarke Begeisterungsbekundungen unterbrochen wurde, sagte er zu den Zuhörern: „Was soll das für mich. Ich werde gelobt werden, wenn ihr euer Leben korrigiert und euch Gott zuwendet“.

Als Johannes im Jahr 396 nach dem Tod des Bischofs von Konstantinopel auf diese Kathedra gewählt wurde, predigte er mit demselben Eifer und bemühte sich, die Heilige Schrift auszulegen. Aus der Feder des heiligen Bischofs stammen Auslegungen des Buches Genesis, der Psalmen, des Matthäus- und des Johannes-Evangeliums sowie der Briefe des Apostels Paulus. Als er den Verfall der Sitten sah, wandte sich der Heilige nicht nur an das einfache Volk, sondern prangerte auch das lasterhafte Leben am kaiserlichen Hof an. Das konnte die stolze Kaiserin Eudoxia nicht ertragen, und sie begann, den Heiligen Johannes offen zu verfolgen. Sie berief ein ungerechtes Konzil von Bischöfen ein, die ihn zur Verbannung verurteilten. Drei Jahre lang litt der Heilige Kummer und seelische Qualen, von denen erschöpft er 407 verstarb. Die letzten Worte des heiligen Bischofs Johannes waren: „Gott sei Dank für alles!“

Aus der Lebensbeschreibung des Heiligen ist ersichtlich, wie sehr er für die Wahrheit Gottes leiden musste, dass aber sein Herz durch die Leiden nicht verbittert wurde. Von jungen Jahren an auf trug er zwei Überzeugungen in sich: immer mit allen Kräften nach Gott zu streben und sich niemals entmutigen zu lassen, wenn ihn Sorgen heimsuchten. Ausnahmslos haben die Heiligen in ihrem Leben Nöte und Leiden erfahren. Wenn wir einen Blick in die himmlischen Wohnstätten werfen könnten, würden wir keinen einzigen Heiligen sehen, der in seinem Leben keine Leiden erfahren hätte. Es kann auch nicht anders sein. „Durch viele Drangsale“, sagt das Wort Gottes, „müssen wir in das Reich Gottes eingehen“ (Apg 14,22). Gerade in Bedrängnissen wird der Mensch zum Menschen. Das ist das Gesetz der geistlichen Wiedergeburt, dass der Übergang vom Bösen zum Guten notwendigerweise von Leiden begleitet wird. „Durch schwierige Umstände und Drangsale wendet uns Gott von der Sünde ab und hilft uns, zu uns selbst zurückzukehren“, sagt der Ausleger. – „Zu Leiden wurden wir geboren, in Leiden lernen wir, und durch Leiden werden wir gerettet“.

Deshalb lasst uns nicht entmutigt sein und den Mut verlieren, Brüder und Schwestern, wenn uns Prüfungen und Bedrängnisse heimsuchen. Nach den Worten der heiligen Väter „lernen wir zu sagen: ‚Gott weiß, was hilfreich ist‘, und nach und nach werden wir die Kraft zum Durchhalten erhalten“. Es ist wichtig, in Bedrängnissen und Prüfungen die aufbauende und heilende Rechte des Himmlischen Vaters zu sehen. Die Worte, die der heilige Johannes gesagt hat: „Gott sei Dank für alles!“ sollen uns das Leben hindurch begleiten: in unseren Freuden und Sorgen, in Kummer und Prüfungen, in Zeiten des Friedens und in Zeiten der Not. Ahmen wir gemäß dem Wort des Apostels (Hebr 13,7) den Glauben des großen Lehrers und heiligen Bischofs und seine Liebe zu Gott nach. Bewahren wir die Einheit der Kirche Christi und arbeiten wir daran, das Heil und das ewige Leben zu erben. Amen.“