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26 August 2020 - Botschaft des Heiligen Synod im Zusammenhang mit der diesjährigen heimtückischen Seuche

Die Berlin-Deutsche Diözese > Aktuell > Botschaft des Heiligen Synod im Zusammenhang mit der diesjährigen heimtückischen Seuche

Beim Treffen des Heiligen Synod der Russischen Orthodoxen Kirche am 25. August 2020 wurde die folgende Botschaft an die Bischöfe, Geistlichen, Mönche, Nonnen und Laien im Zusammenhang mit der diesjährigen heimtückischen Bedrohung verabschiedet.

Indem sie den Barmherzigen Gott lobpreist, der „Seiner Sonne befiehlt, sich über Böse und Gute zu erheben, und der Regen auf Gerechte und Ungerechte schickt“ (Mt 5,45), betet die Kirche intensiv für die endgültige Befreiung der Menschen von der diesjährigen heimtückischen Bedrohung. Der Heilige Synod ruft Bischöfe, Kleriker, Mönche, Nonnen und Laien auf, in diesem Gebet nicht nachzulassen und den Allmächtigen Herrn um Seine Hilfe für alle zu bitten, die sich für die Überwindung der Geißel einsetzen, die die Welt heimgesucht hat. Die heilige Pflicht der orthodoxen Christen ist auch das Gebet für die Seelenruhe der an der Coronavirus-Infektion und ihren Folgen Verstorbenen. Mit besonderer dankbarer Liebe gedenken wir der verstorbenen Geistlichen und Laien, insbesondere der Ärzte, die bis zum Ende ihre Pflicht erfüllt und nach dem Wort des Evangeliums „ihre Seele für andere eingesetzt haben“ (vgl. Jo 15,13).

Wenn wir über die Ursachen der Katastrophe, die uns heimgesucht hat, nachdenken, sollten christliche Nüchternheit, Vorsicht und Umsicht gewahrt bleiben. Ja, Nöte, die Einzelpersonen und Nationen heimsuchen, sind manchmal das Ergebnis der Weigerung menschlicher Gemeinschaften, Gottes rettenden Schutz anzunehmen. Nach dem Zeugnis des heiligen Apostels Paulus haben alle Schwierigkeiten, die die Schöpfung treffen, ihre Ursache im Sündenfall ihrer Vorväter, als dessen Folge „die ganze Schöpfung zusammen bis jetzt klagt und gequält wird“ (Röm 8,22). Es ist jedoch falsch zu glauben, dass menschliches Leiden notwendigerweise mit persönlicher Sünde verbunden ist. „Glaubt ihr, dass die achtzehn Männer, auf die der Turm von Siloam fiel und sie erschlagen hat, schuldiger waren als alle, die in Jerusalem lebten?“ – Mit diesen Worten reagierte der Erlöser auf die Nachricht von der Katastrophe, die die Heilige Stadt heimgesucht hatte (Lk 13,4), und erinnerte uns daran, dass die Intentionen Gottes uns oft bis in die Zeiten hinein verborgen bleiben. Der Apostel warnt vor übereilten und unreifen Urteilen, die fast immer zur stolzen Anklage der einen durch die anderen führen, und fordert die Christen auf, in Demut auf die Offenbarung der Fülle der Geschicke Gottes am Tag der Wiederkunft Christi zu warten: „Richtet nicht vor der Zeit, da der Herr kommt, der das in der Finsternis Verborgene erhellen und die Absichten des Herzens offenbaren wird, dann wird einem jeden Lob von Gott zuteil werden“ (1. Kor 4,5).

Nichtsdestoweniger erlaubt uns jede Krise in der Menschheitsgeschichte, unsere gewohnte Lebensweise neu zu bewerten und die Motivation für unser Handeln zu überdenken. Alle, die den Namen Christi tragen, sollen auf die Worte des heiligen Ignatios, des Gottesträgers, achten: „Für Gott müssen wir alles ertragen, damit Er selbst es mit uns tragen kann. Seid noch eifriger, als ihr es jetzt seid. Achtet auf die Umstände der Zeit. Wartet auf den, der über der Zeit steht – zeitlos, unsichtbar, der aber für uns sichtbar wurde; Er, der ungebunden, der ohne Leiden, aber für uns die Leiden aus Sich genommen, alles um unseretwillen erduldet hat“ (Brief an Polykarpos, Kap. 2) .

Wir sehen, wie zerbrechlich und unzuverlässig der Komfort ist, den die moderne Zivilisation so schätzt. Während wir uns der Gaben der Barmherzigkeit Gottes und des vom Schöpfer gesandten Wohlergehens erfreuen, sind wir leider geneigt, unachtsam zu sein. Die diesjährigen Ereignisse sind in vielerlei Hinsicht ein Beweis für diese Sorglosigkeit. Wie unbegreiflich ist die menschliche Arroganz!

Es ist tröstlich zu sehen, dass unter den Bedingungen der Epidemie die meisten Kinder unserer Kirche sich des Titels „Jünger des Herrn Jesus“ würdig erwiesen haben, in einer großherzigen Geduld, die der Wahrheit des Evangeliums treu bleibt und sich um Nachbarn und weiter entfernte Menschen kümmert, wie es für die Befolger des Gesetzes Christi angebracht ist, indem sie die Lasten miteinander tragen (Gal 6,2). Die Hirten und Kinder unserer Kirche haben begriffen, dass ein sorgloser Umgang mit ihrer eigenen Gesundheit, der in diesen Tagen für jeden Menschen eine rein persönliche Angelegenheit zu sein scheint, zu Leid und Tod anderer führen kann. Der Rücksichtslosigkeit und Arroganz zogen viele orthodoxe Christen die Verantwortung für das Leben und die Gesundheit ihrer Nachbarn vor. Sie erfüllten furchtlos ihre Pflicht, wobei sie ihre eigenen Wünsche und ihre gewohnte Lebensweise überwandten und verstanden, dass die bezüglich der Durchführung von Gottesdiensten getroffenen Vorsichtsmaßnahmen nicht unseren Glauben an die Wirksamkeit der Vorsehung Gottes und an die Heiligkeit der Mysterien der Kirche und des wichtigsten von ihnen – des Mysterions des Leibes und Blutes Christi – mindern.

Eine besondere Prüfung für orthodoxe Christen war die Beschränkung des Zugangs für Laien zur Teilnahme an öffentlichen Gottesdiensten und sogar die Unmöglichkeit, die Kirchen zu besuchen. Diese Tatsache veranlasst uns alle, noch einmal darüber nachzudenken, welche Bedeutung der Gottesdienst in der Kirche, das gemeinsame Gebet in der Versammlung der Jünger Christi, in unserem Leben hat. Wir müssen diese Gabe des Herrn wertschätzen und jede Gelegenheit, unter den Schirm des Hauses Gottes zu treten, zu schätzen wissen. Ja, die göttliche Eucharistie hörte auch dann nicht auf, als der größte Teil der Herde unter den Gewölben unserer Kirchen nicht anwesend war. Ja, die Übertragung der Gottesdienste im Internet oder im Fernsehen und die Veröffentlichung der Texte der Gottesdienstordnungen konnten in gewisser Weise die Last der unzertrennlichen Präsenz der orthodoxen Christen in ihren Häusern erleichtern und waren ein gewisser Trost für sie. Nach Ansicht vieler erwies sich die Aufgabe, ausschließlich zu Hause zu beten, jedoch als recht schwierig. Natürlich können Sendungen in keiner Weise ein Ersatz für die persönliche Teilnahme am Gottesdienst sein, ganz zu schweigen von der Tatsache, dass keinerlei technische Mittel Möglichkeiten für die Teilnahme des Christen an den meisten Mysterien der Kirche und besonders an dem wichtigsten von ihnen – der göttlichen Eucharistie – bieten. Die persönliche Anwesenheit der Apostel im Obergemach des Letzten Abendmahls ist nach dem Evangelium die unwiderrufliche Norm, an den lebensspendenden Tod Christi zu erinnern und Seine Auferstehung im Mysterion Seines Leibes und Blutes zu bekennen. Diese Norm darf unter keinerlei Umständen von uns vergessen werden.

Für die große Mehrheit unseres Episkopats, des Klerus und der Laien war die erhebliche Einschränkung der Teilnahme der Menschen am Gottesdienst in ihrer persönlichen Erfahrung beispiellos. In der Erkenntnis, dass die neue Bedrohung, der die Menschheit ausgesetzt war, schwerwiegende und schwer absehbare Folgen hätte haben können, teilte die Kirche im Bewusstsein ihrer Verantwortung für das Leben und die Gesundheit unzähliger Menschen die durch die Ausbreitung der heimtückischen Seuche verursachten Nöte mit dem ganzen Volk und rief ihre Kinder auf, vorübergehend auf die übliche Art und Weise der Teilnahme am Gottesdienstleben zu verzichten. Eine solche Entscheidung, die unter außergewöhnlichen historischen Umständen getroffen wurde, kann jedoch nicht zu einer neuen Norm werden. Gewissensfreiheit und Religionsfreiheit, einschließlich des Rechts der Gläubigen, auch unter außergewöhnlichen Umständen gemeinsam an Gottesdiensten teilzunehmen, müssen unantastbar bleiben.

Die Besorgnis vieler Christen wie auch von Menschen unterschiedlichen anderen Glaubens bezüglich der Notwendigkeit, weiterhin die Methoden anzuwenden, die während der Epidemie für die notwendige Verringerung der Intensität der persönlichen Kontakte zwischen den Menschen gesorgt haben, ist in bedeutendem Maße gerechtfertigt. Die Verwendung digitaler Identifikatoren, die automatisierte Entscheidungsfindung, die zum Verlust von Rechten für Einzelpersonen und Gemeinschaften führen könnte, die umfassende Sammlung und Verarbeitung persönlicher Daten, einschließlich der Informationen über die Gesundheit, erfordern eine Kontrolle von Seiten der Gesellschaft, darunter auch durch die Kirche als einer gesellschaftlichen Institution. Die möglichen Gefahren, die mit der Entwicklung von Technologien für die Ermittlung und Verarbeitung personenbezogener Daten verbunden sind, wurden wiederholt von den Bischofskonzilien unserer Kirche und insbesondere vom Bischofskonzil von 2013 aufgezeigt.

Wenn wir die vergangenen Monate im Geiste betrachten, unterstreichen wir, dass die Fülle von Meinungen, Nachrichten und Gerüchten sowie die unvermeidlichen Missverständnisse in der modernen Welt den Chiton Christi – Seine Kirche – nicht zerreißen dürfen. Wenn Christen über die Ursachen bestimmter Ereignisse in der Welt, seien sie freudig oder traurig, nachdenken, dann geht es bei den Diskussionen zwischen Christen nicht um den Austausch von Anschuldigungen, nicht um eine Konfrontation miteinander und erst recht nicht um die Aussaat von Feindschaft und Spaltung, sondern um gegenseitige Hilfe, um die gemeinsame Suche nach Wegen des Handelns der Kirche und ihrer Kinder unter den gegenwärtigen Umständen, um die Bereitschaft, aufeinander zu hören und zu verstehen und – was am wichtigsten ist – die kollektive Stimme der Kirche zu beachten.

Die vom Heiligen Synod beschlossenen Maßnahmen gegen die Epidemie sollten in Bezug auf die örtlichen Gegebenheiten weiterhin respektiert werden. Aufmerksamkeit sollte auch der Wiederaufnahme des Unterrichts in kirchlichen Bildungseinrichtungen und Sonntagsschulen geschenkt werden, wobei der Beginn des Schuljahres in einigen Fällen auf Beschluss der regierenden Bischöfe, je nach Epidemiesituation und unter Berücksichtigung der Entscheidungen der staatlichen Behörden über den Beginn des Schuljahres in säkularen Bildungseinrichtungen, verschoben werden kann.

Wir beten für die Seelenruhe aller derjenigen, die die Krankheit und ihre Folgen nicht überlebt haben. Wir danken den hochwürdigen Erzhirten, den Geistlichen und Laien, die in diesen schwierigen Tagen ihre Arbeit zur Ehre des Dreieinen Gottes nicht aufgegeben haben. Möge der Herr euch alle belohnen für euren Eifer, Seinen Heiligen Namen zu verherrlichen, für eure Liebe zu Seiner Kirche, zum Gottesdienst, für eure aktive Hilfe für eure Nächsten. Besondere Worte der Dankbarkeit richten wir an die medizinischen und sozialen Arbeiter, die Mitarbeiter der Ordnungskräfte, die Kommunalbehörden, die Freiwilligen und an viele, viele andere unserer Brüder und Schwestern, die das Leiden der Kranken gelindert und die sich um diejenigen gekümmert haben, die nicht selbst für sich sorgen konnten.

Der Segen Gottes bleibe bei uns allen!