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24 Februar 2021 - Predigt von Erzbischof Tichon zum Sonntag des Zöllners und Pharisäers (21. Februar 2021)

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An diesem Sonntag, Brüder und Schwestern, beginnt die Heilige Kirche, ihre Kinder auf die Fastenzeit vorzubereiten, eine wichtige Zeit im Leben eines jeden orthodoxen Christen. In der Sprache des kirchlichen Typikon wird der heutige Tag der Sonntag des Zöllners und Pharisäers genannt. Er wird so genannt, weil unserer Aufmerksamkeit das Gleichnis unseres Herrn Jesus Christus von den zwei Männern empfohlen wird (Lk 18:10-14), die wie wir zum Beten in den Tempel kamen. Das Gleichnis lehrt uns am Beispiel des Zöllners und des Pharisäers, mit welcher geistlichen Haltung man beten sollte, wo immer man ist, besonders im Tempel Gottes. Denn gerade durch das Gebet vereint sich der Mensch mit Gott und erhält von Ihm alles, was für die Errettung und das ewige Leben unerlässlich ist.

Der Pharisäer und der Zöllner, so haben wir gehört, kamen in den Tempel Gottes, um zu beten. Zwei Männer, zwei Sünder, mit dem einzigen Unterschied, dass der Pharisäer sich nicht als Sünder erkannte und der Zöllner schon. Der Pharisäer, der sich für ganz würdig hielt, trat vor und betete zu Gott mit diesen Worten: „Gott, ich danke dir, dass ich nicht wie die anderen Menschen bin, wie Wucherer, Diebe, Ehebrecher oder wie dieser Zöllner. Ich faste zweimal in der Woche und gebe den Zehnten von allem, was ich erwerbe.“ Er betete und rühmte sich und zählte seine Taten auf. Wie der Pharisäer kann jeder, wenn er will, für den Tempel spenden und den Armen geben, das Fasten einhalten und sich der großen Sünden enthalten, aber eine Vielzahl von geistigen Sünden völlig übersehen. Bosheit, Neid, Hass, Prahlerei, Stolz – all das kann zusammen mit äußerlichen Tugenden im Menschen wohnen und ihn verunreinigen und ihn vor Gott unwürdig machen. Zu hoffen, in einem solchen Fall gerettet zu werden, ist eine tiefe Verblendung.

Das Gebet des Steuereintreibers war ganz anders. Er sprach wenig, aber mit Kummer über seine Sünden. Ohne den Kopf zu heben, schlug er sich auf die Brust und wiederholte nur: „Gott, sei mir Sünder gnädig!“ Der Zöllner listete nicht seine guten oder bösen Taten auf. Gott weiß alles. Er braucht keine Auflistung von Werken, sondern Buße. Der Zöllner weinte nur und schrie in seiner Seele: „Gott, es gibt keine Entschuldigung für mich, auch keine verdienstvollen Taten, sondern ich bitte um Deine Güte, sei mir, dem Sünder, gnädig. Du, Gott, bist der Arzt – ich bin krank. Nur Du kannst mir helfen. Gott, sei mir, dem Sünder, gnädig.“ Das ist es, was der Herr von uns will, wenn wir beten. Er will demütiges Gebet und Zerknirschung ob der Sünden. Und das Ergebnis: Der Zöllner, der im Gebet Zerknirschung ob seiner Sünden besaß, ging gerechtfertigt aus dem Tempel, während der Pharisäer, der übervoll an Eitelkeit und Stolz war, verurteilt wurde. Der Pharisäer ging weniger gerechtfertigt nach Hause als der Zöllner, denn er hatte sich selbst gelobt und sich selbst in seinen eigenen Augen so hoch erhoben, dass er nichts für die Barmherzigkeit Gottes übrig ließ. Der Zöllner hingegen ging gerechtfertigt, von den Sünden gereinigt und mit Gnade erfüllt aus dem Tempel. Was für ein unterschiedliches Gebet! Was für eine unterschiedliche Geisteshaltung!

Bevor wir in den Bereich der Großen Fasten eintreten und Buße für unsere Sünden darbringen, lehrt uns die Kirche, Brüder und Schwestern, das richtige Gebet und die demütige Gesinnung der Seele, mit der jeder von uns vor Gott stehen sollte. Wenn wir auf die Menschen schauen, die in den Tempel gekommen sind, müssen wir die Verurteilung und den Hochmut vermeiden, die zusammen mit den äußeren Tugenden in uns leben und uns verunreinigen können und uns vor Gott unwürdig machen. Lasst uns lieber Tränen der Reue über unsere Sünden vergießen und die Worte des Gebetes sprechen: „Gib, Herr, dass ich, meine Übertretungen sehe und nicht meinen Bruder verurteile…“ Nur dann haben wir die Hoffnung, von Gott erhört zu werden, denn wir wissen aus der Heiligen Schrift, dass „Gott das zerknirschte und demütige Herz nicht erniedrigen wird“ (Ps 50,19), d.h. es nicht der Macht und der Verachtung der Dämonen überlässt, wie ein stolzes, von Eitelkeit und Hochmut erfülltes Herz überlassen wird. Möge jeder von uns, wenn wir im Tempel versammelt oder im Gebet stehen, immer daran denken, dass wir den Tempel gerechtfertigt und nicht verdammt verlassen. Amen.