29 August 2022 - Unsere Kirche und unser Gottesdienst sind unvorstellbar ohne eine besondere Verehrung für die Mutter Gottes
29. August 2022 – Am Fest des Entschlafens der Gottesmutter feierte Erzbischof Tichon in der Auferstehungskathedrale zu Berlin die Göttliche Liturgie und hielt nach dem Kommuniongesang diese Predigt:
Unsere Kirche und unser Gottesdienst sind, Brüder und Schwestern, unvorstellbar ohne eine besondere Verehrung für die Mutter Gottes. Die Mutter Gottes ist sowohl der Beginn unseres Heils als auch seine Vollendung. Die Allheilige Jungfrau Maria hat dem Geheimnis unserer Erlösung gedient wie keine andere, und von daher wenden wir uns an sie ganz besonders: „Allheilige Gottesgebärerin, rette uns.
Heute feiert die christliche Welt das Entschlafen der Gottesmutter. Denn gerade mit diesem Namen, „Entschlafen“, und nicht „Tod“, benennt die Heilige Kirche das Ende des irdischen Lebens der Immerjungfrau und Mutter. Ein Ereignis, so scheint es, das erfüllt mit Tränen und Trauer, weil wir dem Tod begegnen, doch die Kirche freut sich und ruft uns zu geistiger Freude auf. Denn das heilige Dahinscheiden der Gottesmutter war die Krönung ihres ganzen Lebens, das sie von Anfang bis Ende Gott hingegeben hatte.
Die Heilige Überlieferung berichtet, dass drei Tage vor dem seligen Hinscheiden der Gottesmutter der Erzengel Gabriel ihr den baldigen Fortgang zu ihrem geliebten Sohn und Gott verkündete. Erfüllt von tiefem Glauben an das künftige Leben, nahm sie die Nachricht nicht mit Angst und Trauer auf, sondern mit Freude. Festlich schmückte sie ihr bescheidenes Obergemach. Die allmächtige Kraft Gottes versammelte aus der ganzen Welt die Apostel in Jerusalem, um der Mutter des Herrn die Ehre zu erweisen und ihren Leib zu begraben. Am dritten Tag nach der Verkündigung wurde das Obergemach von Licht und Wohlgeruch erfüllt, und der Herr Selbst erschien mit einer Schar von Engeln und Heiligen, Seine Allreine Mutter zu empfangen. Schmerzlos und friedlich übergab die Gottesmutter ihre Seele in die Hände ihres Sohnes und Herrn. Der Apostel Thomas erschien, gemäß der besonderen Göttlichen Vorsehung, erst nach dem Begräbnis des Allreinen Leibes der Muttergottes, und als sie das Grab öffneten, fanden sie den Leib der Muttergottes nicht mehr darin: Der Tod vermochte nicht, ihren Allrerinen Leib zu behalten – die Gottesmutter war mit ihrem Sohn und Gott auferweckt.
Irgendwo wird gesagt, dass der Mensch am Grabe erkannt wird, dass sein ganzes Leben zum Vorschein kommt. So ist es in der Tat. Am Tag des Entschlafens der Gottesmutter leuchteten auf über die Erde und erhoben sich vor den Augen der ganzen Welt die Herrlichkeit und Majestät derjenigen, die ihr ganzes Leben vom Säuglingsalter bis zu ihrem letzten Atemzug Gott gewidmet hatte. Das Entschlafen der Gottesmutter ist der große Tag des Beginns der irdischen und himmlischen Herrlichkeit der Himmelskönigin, der Tag der Beendigung ihrer irdischen Taten und der Tag der Verherrlichung der Jungfrau Maria, der Gottesgebärerin und Mutter des Lichts.
„Pascha, , des Herren Pascha“ – jubeln wir am Tag der Auferstehung Christi, der die Macht des Todes gebrochen hat. Im Entschlafen der Allheiligen Gottesgebärerin sehen wir die Fortsetzung des Pascha des Herrn. Vom Grab der Gottesmutter wie auch vom Grab des Auferstandenen Herrn weht uns himmlische Unverweslichkeit entgegen. Es vertreibt in uns die Angst vor dem Tod, verspricht uns Unsterblichkeit der Seele und Unvergänglichkeit des Leibes. In dem Maße, wie jeder von uns die Sünde besiegt , die in uns selbst wohnt, verschwindet auch die Angst vor dem Tod. Die Sieger über die Sünde begegnen dem Tod mit Freude. Und das offensichtlichste Beispiel für den Triumph über den Tod sehen wir im Entschlafen der Gottesmutter.
Lasst uns, Brüder und Schwestern, die Sünde in uns ausmerzen und nach Tugend streben, und wir werden den Tod nicht fürchten. Bemühen wir uns, gemäß dem Maß unserer Kräfte die Gottesmutter nachzuahmen, indem wir unsere Seelen mit Reinheit, Sanftmut und Demut schmücken. Beherzigen wir Ihre Worte beüglich ihres geliebten Sohnes, unseres Herrn Jesus Christus: „Was immer Er euch befiehlt, das tut“ (Jo 2,5), und sie wird immer eine Fürsprecherin für uns sein, die wir uns mit Gebet und Flehen an sie wenden. Dies ist ihr Bund mit uns allen und die Stimme einer liebenden Mutter für ihre Kinder. Folgen wir der Stimme der Mutter Gottes – und wir werden das ewige Leben erben. Amen.