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04 Januar 2019 - Botschaft des Vorstehers der Russischen Orthodoxen Kirche an den Heiligsten Patriarchen Bartholomaios im Zusammenhang mit den antikanonischen Aktionen des Patriarchats von Konstantinopel in der Ukraine

Die Berlin-Deutsche Diözese > Aktuell > Botschaft des Vorstehers der Russischen Orthodoxen Kirche an den Heiligsten Patriarchen Bartholomaios im Zusammenhang mit den antikanonischen Aktionen des Patriarchats von Konstantinopel in der Ukraine

Als Antwort auf den Brief des Heiligsten Patriarchen Bartholomaios von Konstantinopel, in dem er über die „Wiedereinsetzung in den Rang“ der ukrainischen Schismatiker und die „Annullierung“ des Dokuments über die Übertragung der Kiever Metropolie in die Jurisdiktion des Moskauer Patriarchats, das eine mehr als dreihundertjährige Geschichte hat, über die Durchführung eines „Lokalkonzils“ in Kiev, das in Gemeinschaft mit den nichtkanonischen Gemeinschaften unternommen wurde, sowie die Absicht, der bei diesem Treffen gegründeten Gemeinschaft in den kommenden Tagen die „Autokephalie“ zu verleihen, informierte, sandte der Heiligste Patriarch Kirill von Moskau und der ganzen Rus’ eine Botschaft, in der er tiefen Schmerz, Ratlosigkeit und Empörung über die antikanonischen Aktionen des Patriarchats von Konstantinopel zum Ausdruck brachte.

An den Heiligsten Patriarchen Bartholomaios von Konstantinopel

Eure Heiligkeit!

Mit tiefem Schmerz, Ratlosigkeit und Empörung las ich Ihren Brief, in dem Sie mich über die jüngsten Aktionen der Kirche von Konstantinopel informierten: über die Aufnahme der nichtkanonischen Gemeinschaften der Ukraine in die Gemeinschaft; über die „Annullierung“ der Charta des Patriarchen Dionysios IV. von Konstantinopel, der die Kiever Metropolie in die Jurisdiktion des Moskauer Patriarchats überführte; über die Abhaltung eines „Lokalkonzils“ der von Ihnen in die Communio aufgenommenen nichtkanonischen Gemeinschaften; über die dortige Wahl des „Vorstehers der neuen autokephalen Kirche der Ukraine“; über die Absicht, der von Ihnen gegründeten Gemeinschaft in den kommenden Tagen den Status einer autokephalen Ortskirche zu geben.

Die Wiedervereinigung der Schismatiker mit der Kirche wäre eine große Freude für die orthodoxe Ukraine wie auch die gesamte orthodoxe Welt, wenn sie nach den Grundsätzen des kanonischen Rechts, im Geiste des Friedens und der Liebe zu Christus erfolgt wäre. Aber der gegenwärtige politisierte Prozess der Zwangsvereinigung ist weit entfernt von den Normen und dem Geist der heiligen Kanones. Er wird von einer monströsen Anhäufung von Lügen und bereits jetzt von Gewalt gegen die wahre Ukrainische Orthodoxe Kirche begleitet. Aber dies ist die gleiche Kirche von Millionen ukrainischer Gläubiger, die Sie in all den Jahren Ihres Dienstes bis vor kurzem als kanonisch anerkannt haben – jetzt tun Sie so, als gäbe es sie nicht, aber es gibt nur einzelne Diözesen, die unter Ihr Omophorion zurückgekehrt sind.

Ihre Berater versicherten Ihnen, dass der Episkopat der Ukrainischen Orthodoxen Kirche bereit sei, das politische Projekt der Kiever Behörden zu unterstützen, als ob ein bedeutender Teil, Dutzende von kanonischen Bischöfen nur auf Ihren Segen warteten, um ihre Kirche zu verlassen. Ich habe wiederholt gewarnt, dass Sie irregeführt werden. Jetzt können Sie es selbst sehen.

Nur zwei von 90 Bischöfen der Ukrainischen Orthodoxen Kirche waren beim so genannten „Lokalkonzil“ anwesend, das Sie einberufen haben, und das von einer Troika geleitet wurde, die sich aus Ihrem Vertreter, dem selbsternannten „Patriarchen“ (jetzt „ehrenhalber“ genannt) und dem weltlichen Oberhaupt des ukrainischen Staates zusammensetzte. Was Sie ein „Lokalkonzil“ nennen, ist zu einer Versammlung von Schismatikern unter dem Deckmantel des Namens der Heiligen Kirche von Konstantinopel geworden. Was ist das, außer der Legalisierung des ukrainischen Schismas, die zu verhindern Sie öffentlich versprochen haben?

In Ihren Entscheidungen beziehen Sie sich auf den Willen des orthodoxen Volkes der Ukraine, das offenbar die Intervention der Kirche von Konstantinopel fordere. Aber es war der Wille der überwältigenden Mehrheit der Geistlichkeit und der Gläubigen, des wahrhaft kirchlichen Volkes der Ukraine, der den Episkopat der Ukrainischen Orthodoxen Kirche veranlasste, nicht auf Ihre Einladungen zu reagieren und sich zu weigern, an dem so genannten „Einigungskonzil“ des ukrainischen Schismas teilzunehmen.

Von den beiden von Ihnen erwähnten Bischöfen der Ukrainischen Orthodoxen Kirche, die Sie entgegen der Kanones in Ihre Jurisdiktion aufgenommen haben, war nur einer ein Diözesanbischof. Aber der Klerus und die Herde seiner Diözese akzeptierten seine Handlungsweise nicht. Nachdem Metropolit Simeon von der Synode der Ukrainischen Orthodoxen Kirche rechtmäßig vom Dienst suspendiert wurde, blieben alle Klöster der Diözese Vinnica und die überwiegende Mehrheit der Pfarreien mit ihren Geistlichen dem neuen kanonischen Erzbischof von Vinnica und Bar, Varsonofij, untergeordnet. Derzeit üben die lokalen Behörden Druck auf den Klerus der Diözese aus und bedrohen Priester mit Repressalien, aber Klerus, Mönche und Laien wollen nicht mit dem Bischof in Kontakt bleiben, der sie und die Kirche verraten hat.

Der von Ihnen erwähnte Metropolit Aleksandr, der auch von der Synode in Kiev vom Dienst suspendiert wurde, hatte eine einzige ihm unterstellte Kirche: es gab einen Konflikt in seiner Gemeinde, und der Klerus der Kirche weigerte sich größtenteils, mit dem abgefallenen Bischof zu konzelebrieren.

Die prinzipielle Entscheidung der Bischöfe der Ukrainischen Orthodoxen Kirche, sich zu weigern, an der von Ihnen versammelten Pseudosynode teilzunehmen, ist nicht auf einen mythischen „Druck aus Moskau“ zurückzuführen, der unter diesen politischen Bedingungen unmöglich wäre, sondern auf die Einheit der Erzhirten mit ihrem Klerus und den Gläubigen. Diese Einheit hat keine Angst vor der brutalen Einmischung der ukrainischen Behörden in das kirchliche Innenleben und vor dem staatlichen Druck auf die Kirche, der in den letzten Monaten um ein Vielfaches zugenommen hat. Sie kann nicht mit einem einzigen Federstrich beseitigt werden.

In Ihrem Brief versuchen Sie, die Bedeutung der 1686 von Ihrem Vorgänger Patriarch Dionysios IV. und der Heiligen Synode der Kirche von Konstantinopel unterzeichneten Dokumente zu überprüfen. Seit Jahrhunderten gibt es zwischen unseren Kirchen keine Meinungsverschiedenheiten über den Inhalt dieser historischen Dokumente. Und jetzt kündigen Sie die „Annullierung“ des Patriarchal- und Synodalbriefes an, denn „die äußeren Bedingungen haben sich verändert“.

Ich habe Ihnen vorgeschlagen, Gespräche zu dieser Frage unter Einbeziehung namhafter Historiker, Theologen und Experten des Kirchenrechts zu führen. Sie haben abgelehnt und sich auf Zeitmangel berufen. Ich kann nur mein Bedauern darüber zum Ausdruck bringen, dass Ihre Entscheidungen, die für die Einheit der Kirche destruktiv sind, so sehr von „äußeren“, d.h. politischen Bedingungen abhängen, was Sie nicht zögern, direkt mitzuteilen.

Ihr Brief enthält eine weitere Wiederholung der sehr strittigen Aussagen über die angeblich der Kirche von Konstantinopel gehörende „ausschließliche Verantwortung, die Autokephalie zu verleihen“ und Appellationen anderer Ortskirchen gemäß dem „geistlichen Inhalt“ des 9. und 17. Kanons des Konzils von Chalcedon zu prüfen. Aber die Interpretation der Ihnen zukommenden Rechte wurde von der Kirche als Ganzes nie anerkannt. Gegen Ihr Verständnis der Appellationsrechte des Throns von Konstantinopel zeugt eine Reihe von Einwänden maßgeblicher Kommentatoren des Kirchenrechts. So schreibt der herausragende byzantinische Kanonist Ioannis Zonaras: „Der Konstantinopler [Patriarch] wird als Richter nicht generell über alle Metropoliten anerkannt, sondern nur über die ihm untergebenen. Denn weder die Metropoliten Syriens noch die palästinensischen, noch die phönikischen, noch die ägyptischen werden gegen ihren Willen vor sein Gericht gestellt, sondern die Syrer unterliegen dem Urteil des Antiochenischen Patriarchen, die Palästinenser dem des von Jerusalem und die Ägypter werden von dem Alexandrinischen gerichtet, von denen sie geweiht sind und denen sie unterstellt sind.“ Auch die heutigen orthodoxen Ortskirchen erkennen ein solches Privileg für Sie nicht an.

Aber auch, wenn Sie sich ein solches Recht illegal angeeignet haben, haben Sie sich in diesem Fall nicht einmal um die bestehenden kanonischen Regeln für die Handlungen der Partei, die die Appellation annimmt, gekümmert.

Es ist bekannt, dass Michail Denisenko seinen Dienst nach den ihm auferlegten kirchlichen Verboten und der Exkommunikation fortsetzte und sich damit das Recht auf Berufung entzog und sich nach den Grundnormen des kanonischen Rechts selbst verurteilte. Sie haben der Absetzung von Denisenko zugestimmt, obwohl Sie bis dahin seine erste Berufung erhalten hatten. In einem Brief an Patriarch Alexej II. von Moskau und der ganzen Rus’ vom 31. August 1992 haben Sie mitgeteilt: „Unsere Heilige Große Kirche Christi, die die Fülle der ausschließlichen Zuständigkeit Ihrer Heiligen Russischen Kirche in dieser Frage anerkennt, fasst eine synodale Entscheidung darüber und will nicht Ihrer Schwesterkirche Schwierigkeiten bereiten.“

Die Heilige Synode der Kirche von Konstantinopel berücksichtigte nicht die zahlreichen Probleme der kanonischen Sukzession und des moralischen Charakters der „Hierarchen“, die sie in die Communio aufgenommen haben, unbeschadet dessen, dass die Kirche von Konstantinopel zuvor die Bedeutung der Lösung dieser Fragen zur Heilung des ukrainischen Schismas anerkannt hatte und die notwendigen Informationen über sie während der Gespräche mit den Delegationen unserer Kirchen erhalten hatte.

Davon, mit welcher Eile und Hast die Appellationen der ukrainischen Schismatiker geprüft wurden, zeugt auch die Tatsache, dass durch Entscheid Ihrer Synode Makarij Maletyč in den Bischofsrang „wiedereingesetzt“ wurde. In den offiziellen Patriarchaldokumenten nennen Sie ihn „den ehemaligen Metropoliten von Lemberg“, und in dieser Eigenschaft war er bei dem sogenannten „Einigungskonzil“ anwesend.

Unterdessen ging Makarij Maletyč als Priester der kanonischen Kirche ins Schisma und hatte nie eine kanonische Bischofsweihe. Seine „Weihe“ sowie die „Weihe“ eines bedeutenden Teils des „Episkopats“ der so genannten „Ukrainischen Autokephalen Orthodoxen Kirche“, die von der Kirche von Konstantinopel in die Communio aufgenommen wurde, gehen über seine Vorgänger auf einen laisierten Bischof zurück, der diese Akte zusammen mit dem Betrüger Victor Čekalin, einem ehemaligen Diakon der Russischen Orthodoxen Kirche, der nicht einmal eine Priesterweihe hatte, begangen hat.

Die Aufnahme solcher Personen in die Communio mit der Kirche ohne Rücksicht auf diese Umstände untergräbt die kanonische Weihesukzession und führt zu schwerwiegenden, destruktiven Folgen für die gesamte Weltorthodoxie.

Seit Jahrhunderten ist die Russische Kirche der Heiligen Kirche von Konstantinopel zutiefst dankbar für ihren Beitrag zur Entstehung der Weltorthodoxie, ihre Rolle bei der christlichen Erleuchtung der heidnischen Rus’, für ihre Unterstützung bei der Entwicklung von Traditionen des Mönchtums und der spirituellen Bildung. Heute sind unsere Gläubigen sowohl in der Ukraine wie auch in anderen Ländern jedoch bitter enttäuscht, dass die historische Mutter-Kirche ihre Stimmen nicht hört.

Hunderttausende von Unterschriften von Gläubigen der Ukraine wurden in Ihre Residenz gebracht zur Unterstützung der Ukrainischen Orthodoxen Kirche und mit Bitten, ihre Einheit nicht zu untergraben. Die ukrainischen Behörden haben versucht, die Zustellung dieser Briefe zu verhindern, und Sie haben sie ignoriert. Auch jetzt wollen Sie nicht die Stimme der Ukrainischen Orthodoxen Kirche hören, die am Rande neuer schwieriger Prüfungen steht.

Schon jetzt werden die Oberhirten und der Klerus in der Ukraine unter falschen Vorwänden zu Befragungen vorgeladen, erpresst, bedroht, Durchsuchungen in Kirchen und Häusern durchgeführt und Druck auf Familien und Kinder ausgeübt. Vor einigen Tagen ist ein Gesetz in Kraft getreten, dessen Ziel es ist, der Ukrainischen Orthodoxen Kirche ihren Namen zu entziehen, um ihre Kirchen unter dem Deckmantel des „freiwilligen Übergangs der Gemeinden“ gewaltsam einzunehmen. Sehen Sie so die Vereinigung der Orthodoxen der Ukraine?

Ich habe mit Ihnen sowohl allein als auch mit wenigen Zeugen über die Pläne der Kirche von Konstantinopel gesprochen, das Schisma in der Ukraine zu legalisieren. Nachdem diese Pläne nun weitgehend umgesetzt sind, möchte ich mich wohl zum letzten Mal an Sie wenden, und zwar im Angesicht der gesamten Orthodoxen Kirche. Indem ich so handle, lasse ich mich leiten vom Gebot unseres Herrn Jesus Christus: „Wenn dein Bruder gegen dich sündigt, geh und beschuldige ihn zwischen dir und ihm allein… wenn er nicht hört, nimm noch ein oder zwei weitere mit, damit jedes Wort mit dem Mund von zwei oder drei Zeugen bestätigt wird; wenn er nicht auf sie hört, sag es der Kirche; und wenn er nicht auf sie hört, soll er wie ein Heide und ein Zöllner für dich sein“ (Mt 18,15-17).

Das Diptychon der heiligsten Patriarchen von Konstantinopel zählt Dutzende von Namen großer Theologen, Asketen und Lehrer der Frömmigkeit. Die Heiligen Gregorios der Theologe, Johannes Chrysostomos, Proclos, Flavianos der Bekenner, Johannes IV. der Faster, Tarasios, Methodios, Photios und viele andere haben die Heiligste Kirche von Konstantinopel mit ihrem Dienst verherrlicht.

Aber es gab einige, die ihr Schande gebracht haben. Tragen Sie Ihren zuvor respektierten Namen nicht in eine Liste mit so unrühmlichen Bischöfen von Konstantinopel ein wie Nestorios, die Ikonoklasten Anastasios, Johannes VII. und Theodotos, den Uniaten Joseph II., Mitrophanes II. den Muttermörder und Gregorios III. Mamas. Nehmen Sie jetzt Abstand von der Gemeinschaft mit den Schismatikern, weigern Sie sich, am politischen Abenteuer ihrer Legalisierung teilzunehmen. Und dann wird die wahre Orthodoxe Kirche der Ukraine, angeführt von Seiner Seligkeit Metropolit Onufrij von Kiev und der ganzen Ukraine, Sie segnen, und die Geschichte wird das Andenken an Sie unter den heiligen Bischöfen des Throns von Konstantinopel bewahren, die es unter den schwierigsten politischen Bedingungen geschafft haben, die Würde der Kirche nicht zu verlieren und ihre Einheit zu bewahren.

Wenn Sie in Übereinstimmung mit den in Ihrem Brief dargelegten Absichten handeln, werden Sie für immer die Gelegenheit verlieren, der Einheit der Heiligen Kirchen Gottes zu dienen, aufhören, der Erste in der orthodoxen Welt zu sein, die Hunderte von Millionen Gläubige zählt, und das Leiden der orthodoxen Ukrainer, das Sie verursacht haben, wird Ihnen bis zum Endgericht unseres unbefangenen Herrn folgen und vor Ihm gegen Sie bezeugen.

Ich bete von ganzem Herzen, dass dies nicht geschehen wird. Es ist nicht zu spät, um aufzuhören.

+ KIRILL, PATRIARCH VON MOSKAU UND DER GANZEN RUS’