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14 April 2022 - «Buße tun bedeutet, seine Sünden zu erkennen, sie hinter sich zu lassen und dann nicht mehr zu ihnen zurückzukehren»

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10. April 2022 – Am 5. Sonntag der Großen Fastenzeit hat Erzbischof Tichon die Göttliche Liturgie in der Auferstehungskathedrale in Berlin gehalten. Nach dem Kommunionvers wandte er sich mit einem erzhirtlichen Wort an die Gemeinde.

Einer der Pharisäer, so haben wir heute in der Evangelienlesung gehört, Brüder und Schwestern, bat den Herrn, bei ihm zu essen, und Er ging in das Haus des Pharisäers und legte sich zu Tisch. Eine sündige Frau, die wusste, dass der Herr im Haus des Pharisäers war, brachte ein Gefäß mit Öl, um die Füße des Erlösers zu salben. Sie fühlte mit ihrem ganzen Wesen ihre Unreinheit und Unwürdigkeit vor Gott und vertraute ganz auf Seine Barmherzigkeit. Ihr Herz war bewegt und Tränen der Zerknirschung über ihre Sünden strömten aus ihren Augen, da sie die Füße des Erlösers umfasste. Als der Pharisäer das sah, sagte er zu sich: „Wenn Er ein Prophet wäre, wüsste Er, wer und was für eine Frau Ihn berührt, dass sie eine große Sünderin ist“. Der Herr aber, indem Er den Pharisäer in Gleichnissen hinterfragte und auf die zwei Schuldner verwies, zeigt auf ganz sanfte Weise, dass auch er, der Pharisäer, ein Schuldner war, wiewohl der sich doch selbst für weniger schuldig hielt. Jedoch weder der, der weniger schuldig ist, kann die Schuld zurückzahlen, noch kann es die Frau. Indem der Herr dies gesagt hatte, schloss Er dem stolzen Pharisäer den Mund.

Beim Bild einer reuigen Sünderin richtet sich unser Blick auf die große Asketin, die heute von der Kirche gepriesen wird, nämlich die ehrwürdige Maria von Ägypten. An ihrem Leben macht die Kirche auf zwei Gegensätze aufmerksam: einerseits auf die Tiefe ihres sündigen Falls, andererseits auf die Höhe ihrer gnadenhaften Aufrichtung mit Hilfe der Reue. Es war ja gerade die Reue, die sie aus dem tiefen Abgrund der Sünde herausgezogen hat. Darüber hinaus schenkte Gott ihr aufgrund ihrer Reue sowohl die Vergebung der Sünden als auch die Gotteserkenntnis. Es ist erwähnenswert, dass alle Heiligen von einem Gefühl der Reue erfüllt waren. „Reue“, so sagt der ehrwürdige Isaak der Syrer, „kann niemals zur Vollendung gelangen. Sie ist immer und allen angemessen, die das Heil erben wollen, sowohl den Sündern wie auch den Gerechten. Es gibt keine Grenze, ab der sie als abgeschlossen gesehen werden kann“.

Aber was bedeutet es, Buße zu tun, Brüder und Schwestern? Der ehrwürdige Pimen der Große sagt, dass „Buße tun bedeutet, seine Sünden zu erkennen, sie hinter sich zu lassen und dann nicht mehr zu ihnen zurückzukehren“. Viele Sünder sind durch Reue zu Heiligen geworden, und viele Übeltäter zu Gerechten. Durch das Mysterion der Beichte werden alle Sünden bereinigt, die wir in Wort, Tat und Gedanken begangen haben. Aber die Buße ist unvollständig, wenn ihr keine Werke folgen, Brüder und Schwestern. Es reicht nicht aus, zu beichten und den Freispruch von den Sünden zu erhalten. Es ist unerlässlich, um mit den Worten des heiligen Johannes des Täufers zu sprechen, „Früchte zu bringen, die der Buße würdig sind“ (Lk 3,8). Was bedeutet das? – Wer gesündigt hat, darf nicht mehr sündigen. Wer ein neidisches Auge hatte, muss aufhören zu beneiden. Wer verurteilt hat, muss sich der Verurteilung enthalten. Wer verantwortungslos war, muss anfangen, das, was ihm anvertraut wurde, in Verantwortungs vor Gott zu behandeln. Wer nicht geliebt hat, muss lernen zu lieben. Wer stolz war, muss anfangen, demütig zu werden. Wer zornig war, soll versuchen, sanftmütig zu sein. Und so weiter in allem.

Am Freitag der beginnenden Woche endet die Große Fastenzeit. Wenn wir auf ihren vergangenen Teil zurückblicken, sehen wir, dass es uns nicht gelungen ist, viel zu erreichen. Aber wir sollen uns nicht entmutigen lassen. Unsere Aufgabe ist es, nicht die Tugenden, sondern die Schwächen und Mängel in unserem Leben zu vermerken und uns zu bemühen, sie zu berichtigen. Der Feind unseres Heils überwältigt den Menschen dadurch, dass er vor ihm den Abgrund der Sünde auftut und sagt: Sieh, wie viele Sünden du hast, wie schwer sie sind, es gibt keine Rettung für dich. „Diese düsteren Gedanken“, so warnt uns der ehrwürdige Makarios der Große, „werden dir von deinem Feind, dem Hasser des Menschengeschlechtes, eingeflößt. Er weiß, über welche Kraft die Reue verfügt, und er fürchtet, dass die Reue dich seiner Macht entreißen wird“. Bei uns soll das anders sein.

Erinnern wir uns, Brüder und Schwestern, dass Christus, der Sohn Gottes, Seine Predigt mit einem Wort über die Buße begann: „Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe“ (Mt 4,17). Das bedeutet, dass jeder, der in das Himmlische Königtum eingehen will, fraglos Buße tun muss – ohne Buße kann niemand eintreten. Nach den Worten der heiligen Väter sind die Pforte des Himmlischen Königtums und die Pforte der Reue dieselbe Pforte, durch die jeder reuige Sünder eintritt. Hätte Gott uns nicht die Buße geschenkt, wäre kein einziger Mensch gerettet worden, sondern ausnahmslos alle wären im Hades umgekommen. Wenn wir die ehrwürdige Maria von Ägypten preisen, die sich uns erwiesen hat als eine Lehrerin der Buße für alle Sünder, lasst auch uns die Buße lieben und auf die Barmherzigkeit Gottes vertrauen. Erinnern wir uns immer daran, dass Christus in die Welt gekommen ist, um die Sünder zu retten (1 Tim 1,15). Amen.