30 Oktober 2023 - Der Herr zeigt uns allen, dass wir mitleidend sein müssen, und nur dann werden wir lernen, andere zu trösten
Am 22. Oktober 2023, dem 20. Sonntag nach Pfingsten und Gedenktag der Heiligen Väter des Siebten Ökumenischen Konzils (787), feierte Erzbischof Tichon von Rusa, der Vorsteher der Diözese von Berlin und Deutschland, die Göttliche Liturgie in der Kirche des hl. Nikolaus in Kempten (Bayern) anlässlich des 20-jährigen Bestehens der dortigen Gemeinde.
Nach der Inständigen Ektenie wurde ein Gebet für den Frieden im Heiligen Land gesprochen und nach dem Kommunionvers hielt Erzbischof Tichon die Predigt über den Abschnitt des Sonntagsevangeliums:
„Unter den vielen Wundern, die der Herr Jesus Christus während Seines irdischen Lebens vollbracht hat und die von den Evangelisten aufgezeichnet worden sind, erstaunen besonders diejenigen, bei denen Tote auf ein einziges Wort des Erlösers hin auferweckt wurden. Die heutige Evangelienlesung (Lk 7,11-16) kündet von einem solchen Wunder, der Auferweckung des verstorbenen Sohnes einer Witwe aus Nain durch den Herrn.
Als Christus sich eines Tages den Toren näherte, die in die Stadt Nain führten, traf Er auf eine Frau, die untröstlich weinte, und sie hatte Grund für die Trauer: Erst hatte sie ihren Mann verloren, jetzt noch den einzigen Sohn. Wie oft kommt ja ein Kummer nicht allein. Das Leben wird wie sinnlos. Der Gedanke, „er nicht hätte sterben dürfen“, gibt keine Ruhe. Der Tod offenbart unsere tiefsten Beziehungen zueinander und ruft die stärksten Gefühle der Liebe hervor.
Haben nicht auch wir solche Prüfungen, Brüder und Schwestern, wenn der Kummer so groß, die Wunde so tief ist, wenn die Leiden die Kräfte übersteigen, dass alle nur möglichen Worte, wie auch immer sie lauten mögen, schwach und nichtssagend sind. Man findet keine Worte, die Tränen wegzuwischen und zu trösten. Alles, was wir in solchen Fällen tun können, ist, mitzuleiden, vielleicht ohne etwas zu sagen, aber wo wir können, durch unsere Anwesenheit, unseren Blick, unsere Berührung, um so Mitgefühl und Liebe für die Leidenden auszudrücken. Das ist es, was uns der Heiland Christus lehrt. Als der Herr nämlich den Kummer der Mutter sah, hatte er Mitleid mit ihr und sagte: „Weine nicht“, aber dann trat Er an das Bett, berührte den Toten und sagte zu ihm: „Jüngling, ich sage dir, stehe auf!“ Und sogleich stand der junge Mann auf, setzte sich aufrecht und begann zu reden, woraufhin der Herr ihn seiner Mutter übergab, die sich über ihren von den Toten auferstandenen einzigen und geliebten Sohn freute.
Der Herr zeigt uns allen, Seinen Jüngern, dass wir mitleidend sein müssen, und nur dann werden wir lernen, andere zu trösten. Jeder von uns hat nicht wenig eigene Sorgen und Kummer, Unannehmlichkeiten und Schwierigkeiten im Familienleben oder bei der Arbeit, mit unseren Vorgesetzten oder auch den Untergebenen. Es ist aber unnötig, den Mut zu verlieren und bekümmert zu sein, sondern es ist nötig, zu Gott zu beten und Ihm fest zu vertrauen, und alles wird sich regeln. Es ist sehr wichtig, dass wir uns in unserer Trauer nicht einschließen, damit sie nicht zu Niedergeschlagenheit führt und uns zerbricht. Erbitten wir in unserer Trauer auch die Gebete unserer Brüder und Schwestern in Christo und seien wir eingedenk, dass das Gebet vieler stärker ist.
Die heutige Evangelienlesung lehrt uns aber noch mehr, nämlich, dass das Wunder der Auferstehung des Sohnes der Mutter und Witwe aus Nain vom Herr vollbracht wurde als ein Bild der zukünftigen Auferstehung von uns allen und zur Festigung unseres schwachen Glaubens an unsere Auferstehung und dass es uns lehrt, an den Tod zu denken. „Gedenke deines Letzten, so wirst du auf ewig nicht sündigen“ (Sir 7,39), sagt die Heilige Schrift. Nicht um uns Schrecken vor dem Tod einzuflößen und das Leben freudlos zu machen, lehrt das Göttliche Wort so, nein, sondern darum, dass wir fliehen vor der Sünde als der Ursache aller Nöte, Sorgen und Unglücke. Lasst uns also des Todes gedenken, aber nicht um zu traurig zu machen, sondern um uns vorzubereiten. Auf welche Weise? – Indem wir uns mühen, beten, Mitleid haben, wie der Herr uns gelehrt hat, und uns anstrengen, damit wir bei unserer Auferstehung eingehen in die Freude und das ewige Leben und gewürdigt werden, zur Rechten des Herrn zu stehen und Seine Stimme zu hören, die uns ruft zum Erbe des Himmlischen Königtums. Amen.“