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09 Februar 2021 - Kein wahres Leiden um Christi willen wird im Gedächtnis der Kirche verloren gehen

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Predigt von Erzbischof Tichon am Fest der Synaxis der neuen Märtyrer und Bekenner der Russischen Kirche am 7. Februar 2021 in der Gemeinde zu Ehren des heiligen Gerechten Johannes von Kronstadt in Hamburg.

Heute verherrlichen wir die Versammlung der Neumartyrer und Bekenner der Russischen Kirche, die in den Jahren der Verfolgung des Glaubens und der Kirche gelitten haben, die ihren Glauben an Christus bekannt haben und Ihm treu geblieben sind, wofür sie Folter und Leiden ertragen haben. Trotz der Tatsache, dass das Fest mit der Erinnerung an tragische Ereignisse verbunden ist, ist es gleichzeitig ein Triumph, weil es der Welt eine Schar von Heiligen gezeigt hat. Jetzt vor dem Thron Gottes stehend, bringen sie ihre Gebete für unser irdisches Vaterland dar.

Aus der Kirchengeschichte ist ein Ereignis bekannt, das während der Herrschaft des heiligen Kaisers Justinian stattfand. Beim Bau der Sophien-Kathedrale in Konstantinopel hat er befohlen, aus allen Enden des Reiches das Allerbeste für das zukünftige Gotteshaus zu schicken. Marmorsäulen, Halbedelsteine, Gold und Silber strömten reichlich nach Konstantinopel aus Illyrien, Syrien, Nordafrika, aus Spanien. Aber alle warteten, was die antike Hauptstadt, das Alte Rom, schicken würde? Und da brachten Boten aus Rom dem Kaiser etwas, das in kostbaren, mit Steinen besetzten Brokat gewickelt war. Als es ausgepackt wurde, war da Erde. – Was ist das? – fragte der Kaiser. – Es ist das Kostbarste von allem, was es in Rom gibt, es ist der Boden vom Kolosseum, getränkt mit dem Blut der christlichen Märtyrer.

Fast vor unseren Augen, Brüder und Schwestern, ist unser Vaterland, das russische Land, zu einem riesigen Kolosseum geworden, wo jeder Zentimeter Erde mit dem Blut der Leidenden getränkt ist. Wie viele von ihnen wurden erschossen, wie viele gefoltert: Bischöfe, Priester, Mönche; Männer, Frauen und Kinder, angefangen vom heiligen Bischofsmärtyrer Metropolit Vladimir von Kiev und den kaiserlichen Leidenduldern bis hin zu den einfachsten Gläubigen? Eine unzählige Vielheit. Gebadet im Blut der Leidenden ist das russische Land auf eine neue Weise zur Heiligen Rus’ geworden. Nach dem Wort eines Heiligen ist „unser Land durch ihr Blut geheiligt, und seine Luft durch den Aufstieg ihrer Seelen zum Himmel“.

Was ist die Ursache für den Hass und die schreckliche Verfolgung von Christen? Der Gegensatz zwischen Christus und der Welt, Brüder und Schwestern, die gleiche Sache, die auch heute geschieht. Die Welt stört ein Leben, das nach den Gesetzen der Wahrheit aufgebaut ist, sie stört sich an dem, was man Gewissen nennt und was die Kirche anprangert. Deshalb sind von Anfang an die Verfolgungen über die Kirche hereingebrochen, vor denen der Herr gewarnt hat: „Wenn sie mich verfolgt haben, werden sie auch euch verfolgen“ (Jo 15,18-19). Doch der Herr, der alle Schrecken des Leidens besiegte, der selbst leidenschaftslos war, zeigte sich nach den Worten des heiligen Gregorios des Wundertäters selbst als ein Leidender in den Leiden, die er durchlebte, als er am Kreuz war. Deshalb ist es durch die Kraft der Gnade Gottes den Christen gegeben, „nicht nur an Christus zu glauben, sondern für Ihn zu leiden“ (Phil 1,29).

Was wird heute von uns verlangt, Brüder und Schwestern? Wie in jenen schrecklichen Jahren der Verfolgung, so ist es auch heute notwendig, dem Bösen zu widerstehen, das die Kirche bedroht, keine Kompromisse mit der Lüge und der Gesetzlosigkeit einzugehen und der Wahrheit treu zu bleiben. Wir müssen uns ständig, nach den Worten des Apostels, „prüfen, ob wir im Glauben sind.“ (2 Kor 13, 5), und uns so oft wie möglich an diese Worte erinnern und Trost finden in den Worten eben dieses Apostels: „Wenn wir nur mit dem Herrn leiden, werden wir auch mit ihm verherrlicht werden“ (Röm 8, 16-18). Kein wahres Leiden um Christi willen wird im Gedächtnis der Kirche verloren gehen. Lasst uns inständig beten, dass wir in einer Welt bestehen können, in der die Sünde bereits ununterscheidbar vom Guten wird. Bitten wir den Herrn, dass wir niemals mit dieser Welt verschmelzen und dass sie uns nicht besiegen möge. Lasst uns das Andenken an die für den Glauben Leidenden und die Bekenner Christi ehren, indem wir ihre Taten des Glaubens und der Treue zu Christus nachahmen. Amen!